Das als sogenannte Pillen-Enzyklika bekannt gewordene Rundschreiben schade dem "öffentlichen Ansehen der römisch-katholischen Kirche bis heute immens", teilte die Bewegung am Donnerstag in München mit. Mit dem Lehrschreiben "Humanae vitae - über die rechte Ordnung der Weitergabe des menschlichen Lebens" hatte Papst Paul VI. 1968 katholischen Christen die Verwendung von Verhütungsmitteln wie der Anti-Baby-Pille und Kondomen verboten.
Die Kirchenvolksbewegung verurteilte auch die darauffolgenden lehramtlichen Äußerungen von Papst Paul II. und Papst Benedikt XVI. zum Thema Verhütung, die sich dem Tenor der Enzyklika angeschlossen hätten. Nach den überwiegend sehr positiv aufgenommenen Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) habe der Vatikan mit der "Pillen-Enzyklika" die Ergebnisse des Konzils erstmals reaktionär interpretiert.
Nach Ansicht von "Wir sind Kirche" muss das Rundschreiben "Humanae vitae" auch wegen seines indirekten Anspruchs auf Unfehlbarkeit kritisiert werden. "Wir sind Kirche" beobachtet inzwischen eine generelle Tendenz zur "Unfehlbarmachung" aller päpstlichen Lehraussagen und kirchlicher Glaubenssätze. Diese Entwicklung sei "äußerst problematisch".
Papst Paul VI. veröffentlichte die Enzyklika "Humanae vitae" am 25. Juli 1968 trotz gegenteiliger Empfehlungen von Bischöfen aus aller Welt. Er löste damit bei den Katholiken in Deutschland Proteste aus. Papst Franziskus sprach Papst Paul VI. bereits 2014 selig. Noch in diesem Jahr soll er heiliggesprochen werden.
Die Kirchenbewegung "Wir sind Kirche" ging aus einem 1995 in Österreich gestarteten Kirchenvolksbegehren hervor und setzt sich nach eigenen Angaben für eine Erneuerung der römisch-katholischen Kirche auf Basis des Zweiten Vatikanischen Konzils ein. Die Bewegung wurde 1996 in Rom gegründet und ist derzeit in mehr als zwanzig Ländern vertreten.