Kurz vor der Ankunft der "Lifeline" im Hafen von Malta verlässt ein riesiges Kreuzfahrtschiff den Anleger auf der gegenüberliegenden Mole. Die Passagiere des Ozeanliners sind den Tag über durch die malerische Altstadt von Valletta geschlendert, bevor sie beim Verlassen der Insel am Mittwochabend an dem deutschen Seenotrettungsschiff vorbeifahren. Die rund 230 Migranten sind knapp eine Woche zuvor vor der libyschen Küste gerettet worden. Sie erreichen Malta nach der langen Fahrt auf der völlig überfüllten "Lifeline" zwar geschwächt, aber sichtlich erleichtert.
Von Polizei und Militär eskortiert, legt ihr Schiff am "Boilers Wharf" gegenüber der Aussichtsterrasse über dem Hafen an, während sie erleichtert den am Ufer stehenden Menschen zuwinken. Weiß gekleidete Sanitäter und Ärzte gehen zunächst an Bord, bevor als erste Frauen und Kinder an Land gehen dürfen.
"Es waren fünf Kinder an Bord", erzählt Axel Steier, der Mitgründer der Dresdner Hilfsorganisation "Mission Lifeline". "Eines ist zweieinhalb Jahre alt und es ist allein", sagt er möglichst sachlich angesichts der Umstände der Reise. Die 17 geretteten Frauen hätten von Vergewaltigungen berichtet. In Libyen gebe es keine sicheren Häfen, betont Steiner. Daher habe die Besatzung zwar alle übrigen Anweisungen der italienischen Küstenwache befolgt. "Außer der einen, nach Tripolis zu fahren." Denn dort drohten Frauen Vergewaltigungen und Männern Folter.
Während drei gerettete Kleinkinder und drei Erwachsene in ein Krankenhaus gebracht wurden, bestiegen die übrigen Flüchtlinge Polizeibusse, die sie in ein Aufnahmelager brachten. Die Ankunft des Schiffs mit den geretteten Migranten wirkte nach dem tagelangen Tauziehen um die Genehmigung, in Malta anzulegen, wie ein Gefangenentransport. Kein Außenstehender durfte sich dem Schiff, der Besatzung und den Geretteten nähern. Ein paar Aktivisten begrüßten die Ankömmlinge von einer Mauer oberhalb des Hafens aus und rollten ein Transparent aus mit der Aufschrift "Stoppt den Menschenhandel". Ein freundliches Willkommen sieht anders aus.
Die maltesischen Behörden wollten das Schiff unmittelbar nach seiner Ankunft beschlagnahmen. Dem Kapitän drohen Ermittlungen, da er angeblich den Transponder ausschaltete, der die Ortung von Schiffen ermöglicht. Italien, das bis zur Amtseinführung der neuen Regierung in Rom die Seenotrettung im südlichen Mittelmeer koordinierte, verpflichtete Hilfsorganisationen dazu, den Transponder nicht mehr auszuschalten. Denn dadurch würden sie zu Komplizen der Schleuser. "Das ist Quatsch", sagt Steier, denn nur ein Bruchteil der in Seenot geratenen Boote werde von einem Rettungsschiff gefunden. "Häufig treffen wir auf leere Boote", berichtet er.
Die Flüchtlinge sind an Land, aber ihre Zukunft bleibt ungewiss. Die rund 230 in Malta angekommenen Migranten sollen nur dann in insgesamt acht EU-Länder verteilt werden, wenn sie Anrecht auf Asyl haben. Wohin sie andernfalls abgeschoben werden sollen, ließ die maltesische Regierung offen. Dass Deutschland sich nicht bereiterklärte, einen Teil der Geretteten aufzunehmen, nennt der "Lifeline"-Gründer Steier eine "Schande". Selbst Italien, das künftig keine Flüchtlinge mehr aufnehmen und selbst aus Seenot Geretteten den Zugang zu den Häfen verweigert, beteiligt sich.