Die Debatte um die Kreuz-Pflicht in bayerischen Behörden tobt weiter. Während der katholische Münchner Erzbischof Reinhard Marx den Erlass der Staatsregierung kritisierte, weil er "Spaltung, Unruhe, Gegeneinander" geschaffen habe, äußerte sich der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm zurückhaltend: Es gehe "natürlich nicht", das Kreuz auf ein Kultursymbol zu reduzieren. Den Vorwurf, das Christentum zu vereinnahmen, um die eigenen Ziele zu legitimieren, wolle er aber "niemandem konkret machen".
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Marx, sagte der "Süddeutschen Zeitung" (Montag): "Das Kreuz lässt sich nicht von oben verordnen." Wenn das Kreuz nur als kulturelles Symbol gesehen werde, habe man es nicht verstanden. "Dann würde das Kreuz im Namen des Staates enteignet."
Debatte über das Kreuz wichtig
Das Kreuz könne man nicht haben ohne den Mann, der daran gehangen habe, führte Marx aus: "Es ist ein Zeichen des Widerspruchs gegen Gewalt, Ungerechtigkeit, Sünde und Tod, aber kein Zeichen gegen andere Menschen." Ein Kreuz aufzuhängen heiße: "Ich möchte mich an den Worten dessen orientieren, der am Kreuz für die ganze Welt gestorben ist", betonte der Kardinal.
Das bayerische Kabinett unter Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte in der vergangenen Woche die allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats geändert. Im Eingangsbereich aller staatlichen Dienstgebäude muss ab 1. Juni als Ausdruck der "geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns" deutlich wahrnehmbar ein Kreuz als sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung angebracht werden.
Die gesellschaftliche Debatte über das Kreuz ist nach Einschätzung von Kardinal Marx wichtig: "Was heißt es, in einem christlich geprägten Land zu leben?" Dafür müsse man aber alle einbeziehen: Christen, Muslime, Juden und jene, die gar nicht gläubig seien.
Bedford-Strohm sagte der "Nordwest-Zeitung" (Montag): "Ich freue mich natürlich immer, wenn das Kreuz, das für unseren Glauben steht, auch wirklich ernst genommen wird." Entscheidend sei, dass das Kreuz nicht nur an der Wand hänge, sondern auch inhaltlich mit Leben gefüllt werde.
Ein Kreuz aufzuhängen, geht nach Ansicht Bedford-Strohms mit Selbstverpflichtung auch im politischen Handeln einher. "Das heißt Feindesliebe, Einsatz für die Schwachen, universales Liebesgebot, also nicht die Benutzung des Kreuzes zur Abwehr gegen andere, sondern als Grundlage dafür, dass wir eine Verantwortung für alle Menschen haben." Ob sich diese Botschaft des Kreuzes im Widerspruch zu der Flüchtlingspolitik der bayerischen Staatsregierung befinde, gehöre zu den Dingen, über die diskutiert werden müsse, erklärte der Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Das Kreuz sei "zuallererst ein religiöses Symbol", betonte Bedford-Strohm. Am Sonntag hatte er auf Facebook geschrieben: "Wer sich jeden Tag für den Glauben engagiert, es aber falsch findet, das über eine staatliche Verordnung zu machen, ist deswegen sicher kein Selbstverleugner."
Unterdessen warf der katholische Theologe Hans-Joachim Sander dem bayerischen Ministerpräsidenten vor, das Kreuz für eine persönliche Macht-Demonstration missbraucht zu haben. "Mit dem Kreuz-Symbol als Ausdruck einer angeblich christlichen Macht drängt er andere Religionsgemeinschaften und deren Gläubige, aber auch Nicht-Gläubige an den Rand", sagte der Salzburger Dogmatiker dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Montag).
Söder habe das Symbol menschlicher Ohnmacht sogar als persönlichen Macht-Gestus benutzt, indem er sich vor die Kameras gestellt, das Kreuz aufgehängt und der Öffentlichkeit erklärt habe, wie es zu verstehen sei, sagte der Theologie-Professor der Universität Salzburg. Er rechne damit, dass der CSU-Politiker für seine "präpotente Kreuzdemonstration" einen politischen Preis zahlen werde. Überzeugte Christen ließen mit sich und ihrem Glauben so nicht umspringen. Der Dogmatiker forderte Söder auf, von seiner eigenen Aktion Abstand zu nehmen.