Papst Franziskus hat vor Überheblichkeit und Selbstbezogenheit in der Kirche gewarnt. In einem am Montag im Vatikan veröffentlichten Schreiben betont er, nicht nur herausragende Gläubige und Märtyrer, sondern alle Christen sollten im Alltag nach Heiligkeit streben. In dem päpstlichen Schreiben "Gaudete et exultate" (Freut euch und jubelt) prangert er diejenigen an, die sich innerhalb der katholischen Kirche zu Richtern über andere Gläubige erheben.
"Heilige von nebenan" seien Eltern, Menschen, die für den täglichen Unterhalt arbeiteten, und Kranke, betont Franziskus in dem Dokument. Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, erklärte, die päpstliche Schrift lade dazu ein, das Gute im Geist Christi zu tun. Dazu zähle für Papst Franziskus auch der Einsatz für Arme und gegen jede Art von Egoismus und Individualismus. Das Schreiben sei eine "authentische Aufforderung von Papst Franziskus, voll Freude, Optimismus und Offenheit für Gottes Wort alles Mittelmaß hinter sich zu lassen und aufzubrechen". Das sei nur im Zugehen auf die Mitmenschen möglich.
Mit Blick auf konservative Kirchenkreise, die ihn wegen seiner Reformen für einen Häretiker halten, nennt Franziskus narzisstisches und autoritäres Elitebewusstsein "subtile Feinde der Heiligkeit". Das Kirchenoberhaupt warnt davor, die eigenen Theorien zu verabsolutieren und andere zu verpflichten, sich deren Argumentationen zu unterwerfen. Er plädiert für einen gesunden und demütigen Gebrauch der Vernunft beim Umgang mit christlichen Lehren. Dem widerspreche es, "danach zu streben, die Lehre Jesu auf eine kalte und harte Logik zu reduzieren, die alles zu beherrschen sucht".
Durch "wütendes Abladen von Rachegelüsten" werde die eigene Unzufriedenheit kompensiert. Unter dem Vorwand, Gebote zu verteidigen, werde das "Ansehen anderer gnadenlos zerstört". Die Rolle gnadenloser Richter einzunehmen, andere für unwürdig zu halten und ständig Belehrungen geben zu wollen, sei eine "subtile Form der Gewalt", mahnt der Papst: "Wenn jemand Antworten auf alle Fragen hat, zeigt er damit, dass er sich nicht auf einem gesunden Weg befindet." In der Kirche gebe es zurecht unterschiedliche Interpretation vieler Aspekte der Lehre und des christlichen Lebens.
Egozentrische und elitäre Selbstgefälligkeit ohne wahre Liebe führe in der Kirche zu "Gesetzeswahn, der Faszination, gesellschaftliche und politische Errungenschaften vorweisen zu können, dem Zurschaustellen der Sorge für die Liturgie, die Lehre und das Ansehen der Kirche", heißt es in dem neuen Lehrschreiben. Dadurch drohe die Kirche auf ein Museumsstück und zum Eigentum einiger weniger reduziert zu werden.
Bei dem Lehrschreiben von Papst Franziskus handelt es sich der Form nach um eine sogenannte apostolische Exhortation - wie zuvor bereits seine Schriften "Evangelii gaudium" (2013) und "Amoris laetitia" (2016).