Sieben Jahre nach Beginn des Syrien-Krieges beklagt Unicef unvorstellbares Leid in dem geschundenen Land. 2017 sei das bisher schlimmste Jahr für Kinder in Syrien gewesen, erklärte das UN-Kinderhilfswerk am Montag. Mindestens 910 Jungen und Mädchen seien 2017 getötet und 361 verletzt worden, eine Steigerung um 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen, und ein Ende des Krieges sei nicht in Sicht.
Allein im Januar und Februar 2018 seien Berichten zufolge über 1.000 Jungen und Mädchen umgekommen. "Es herrscht blanke, gnadenlose Gewalt gegen Kinder", sagte Christian Schneider, Geschäftsführer von Unicef Deutschland, in Köln. Man müsse leider sehen, "dass der Tiefpunkt der Unmenschlichkeit noch lange nicht durchschritten ist".
Kein syrisches Kind entgehe den Folgen des Krieges. Die Jungen und Mädchen, die überleben, hätten den Tod von Angehörigen, Bombenhagel, Flucht oder Vertreibung erlebt, mit unabsehbaren psychischen Folgen. Schneider sprach von "einer ganzen Generation kriegsversehrter Kinder". Schneider appellierte an alle Konfliktparteien: "Der Krieg gegen Kinder muss jetzt aufhören." Er fügte hinzu: "Wir brauchen sofort eine Waffenruhe, die den Namen verdient."
Überall sind Kinder in Syrien gefährdet, wie der zuständige Unicef-Regionaldirektor Geert Cappelaere in Amman erläuterte. Sie könnten auf dem Schulgelände oder auf Spielplätzen getroffen werden, oft auch durch nicht explodierte Sprengsätze. Er verwies etwa auf den 14-jährigen Sami, der zwei seiner Cousins und beide Beine durch einen Bombenangriff beim Spielen verlor. 1,5 Millionen Syrer haben laut Unicef infolge des Krieges eine Behinderung, 86.000 davon mussten Gliedmaßen amputiert werden.
Cappelaere warf allen Kriegsparteien vor, Kinder und Jugendliche zu rekrutieren und anzugreifen. Der Schutz von Kindern in Konflikten gehöre zu den grundlegenden Prinzipien des Völkerrechts. "Diese rote Linie sollte nie überschritten werden", sagte er. Doch man erreiche jetzt einen Moment, in dem diese Prinzipien offenbar nicht mehr gültig seien. Wer Krieg gegen die Kinder führe, zerstöre die Zukunft Syriens, warnte er.
Mit besonderer Sorge schaut Cappelaere auf das eingeschlossene Rebellengebiet Ost-Ghuta, wo nur selten und unter großen Gefahren Hilfslieferungen durchkommen. Dort leben etwa 400.000 Einwohner, darunter 200.000 Kinder. 40 Prozent der Minderjährigen dort seien chronisch unterernährt. "Ost-Ghuta ist schlimmer als Ost-Aleppo", das vor zwei Jahren traurige Schlagzeilen machte. Allein für 2018 schätzt Unicef den Hilfebedarf für Syrien auf 1,3 Milliarden US-Dollar (gut eine Milliarde Euro).
Behinderte Kinder sind laut Unicef in dem Bürgerkriegsland besonders benachteiligt. Oft könnten sie nicht angemessen behandelt werden. Doch trotz allen Leids, das sie erfahren hätten, seien es Kinder mit Hoffnungen, Träumen und Plänen. Sie sprächen von ihren Wünschen, Sportler, Arzt oder Architekt zu werden, sagte Schneider. Cappelaere bewundert ihre Widerstandskraft: "Die Kinder beweisen jeden Tag, dass sie nicht aufgeben."
Sieben Jahre nach Beginn des Syrien-Konflikts leben laut Unicef 69 Prozent der Bevölkerung in Syrien in extremer Armut. Sie müssen pro Person mit umgerechnet weniger als zwei US-Dollar am Tag auskommen. Die Not trifft auch syrische Flüchtlingskinder in Jordanien, die zur Arbeit oder in Frühehen gedrängt werden. Millionen syrische Kinder können nicht zur Schule gehen. Cappelaere verwies jedoch auf "mutige Lehrer", die selbst unter widrigsten Bedingungen etwas Unterricht halten.
Der Syrien-Konflikt begann am 15. März 2011, als das Regime von Machthaber Baschar al-Assad mit Gewalt gegen friedliche Proteste vorging. In dem arabischen Land bekämpfen sich das Assad-Regime, oppositionelle Rebellen und Terrormilizen. Neben Russland stehen der Iran und die libanesische Hisbollah-Miliz auf der Seite Assads. Die Türkei geht in der Region Afrin militärisch gegen kurdische Milizen vor, die von den USA Hilfe erhalten.