Im Zuge der Ermittlungen um die Morde des früheren Krankenpflegers Niels H. in Oldenburg und Delmenhorst kommt es zu einem weiteren Prozess: Eine stellvertretende Stationsleiterin soll nach dem Tod von Patienten weitere Tötungsdelikte durch Niels H. für möglich gehalten haben. Sie sei aber nicht eingeschritten, teilte das Oberlandesgericht Oldenburg am Freitag mit. Damit habe sie durch Unterlassen bis zu fünf weitere Taten zumindest billigend in Kauf genommen.
Niels H. ist bereits wegen sechs Taten zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er hatte Patienten Medikamente gespritzt, um absichtlich lebensbedrohliche Herzprobleme bis hin zum Herzflimmern auszulösen. Anschließend reanimierte er seine Opfer, um als Held zu erscheinen. Nach umfangreichen Exhumierungen wirft ihm die Staatsanwaltschaft inzwischen mehr als 100 Morde vor. Der Prozess um die größte Mordserie in Nachkriegsdeutschland soll im Oktober beginnen.
Die stellvertretende Stationsleiterin war bereits zusammen mit zwei Ärzten sowie dem Leiter der Intensivstation des früheren Klinikums Delmenhorst, einer weiteren Stellvertreterin und einem Krankenpfleger wegen Mitverantwortung angeklagt worden. Doch das Landgericht Oldenburg hatte lediglich Anklagen gegen die Ärzte und den Chef der Intensivstation zugelassen, hieß es. Dagegen hatte die Staatsanwaltschaft Beschwerde eingelegt.
Der Erste Strafsenat des Oberlandesgerichts habe im Fall der einen stellvertretenden Stationsleiterin der Beschwerde nun Recht gegeben, sagte eine Justizsprecherin. Die Frau hätte aufgrund ihres Verdachts Niels H. näher beobachten und sicherstellen müssen, dass von ihm keine Gefahr für die Patienten ausgehe. Diesen Pflichten sei sie nicht vollständig nachgekommen.
Zwar habe die Frau ihren unmittelbar vorgesetzten Stationsleiter über konkrete Verdachtsmomente informiert. Als dieser weitergehende Untersuchungen abgelehnt habe, hätte sich die Beschuldigte an die nächste Führungsebene wenden müssen, sagte die Sprecherin.
Für die andere stellvertretende Stationsleiterin und den Pfleger sehe das Gericht hingegen keinen hinreichenden Tatverdacht. Diese stellvertretende Stationsleiterin sei ihren Pflichten nachgekommen, indem sie ihre erst Ende Juni 2005 gewonnenen Erkenntnisse umgehend weitergeleitet habe. Daraufhin hätten die Klinikverantwortlichen am nächsten Tag das weitere Vorgehen erörtert. Gegen den angeschuldigten Pfleger könne ebenso kein strafrechtlicher Vorwurf erhoben werden, da auch er seine rechtlichen Pflichten durch die Meldung an seine Vorgesetzten erfüllt habe.