Im Zeltlager von San Ferdinando in Kalabrien gehen die Temperaturen im Winter nachts bis gegen null Grad. Bis zu 2.300 Migranten und Flüchtlinge wohnen hier. Viele von ihnen arbeiten als Tagelöhner bei der Ernte von Zitrusfrüchten und Oliven. Mit gefährlichen Gasöfen versuchen sie, sich vor der Kälte zu schützen. Immer wieder brechen Feuer aus. Ende Januar kam eine 26-jährige Nigerianerin ums Leben, als die Zelte und Baracken eines Nachts in Flammen aufgingen.
Einen Euro pro Kiste Mandarinen verdienen Erntehelfer im süditalienischen Kalabrien. Mit 25 Euro pro Tag und ohne Sozialabgaben beträgt der Lohn die Hälfte des tariflichen Minimums. Weder verschärfte Gesetze gegen die illegale Anwerbung von Tagelöhnern noch Polizeikontrollen auf den Plantagen beendeten bislang die Ausbeutung.
Immer mehr Menschen, immer weniger Arbeit
"Niemand kümmert sich um die Menschen hier, auch die Kirche schläft", klagt Bartolomeo Mercuri, Vorsitzender des Vereins "Il Cenacolo" aus dem benachbarten Maropati, der Mahlzeiten und Nahrungsmittel an die Bewohner des Zeltlagers verteilt. Die strengeren Gesetze zeigten keine Wirkung. "Die Lage hier wird immer schlimmer, es kommen immer mehr Menschen, aber es gibt weniger Arbeit", sagt Mercuri.
Das Zeltlager liegt in einem verlassenen Industriegebiet außerhalb von San Ferdinando. Die Stadtverwaltung gibt pro Jahr 50.000 Euro für Wasser und Strom im Zeltlager aus. Die hygienischen Zustände sind dennoch desolat.
Die Nichtregierungsorganisation Emergency hat einen regelmäßigen Bustransfer vom Zeltlager in die eigene Krankenstation im benachbarten Polistena organisiert, denn öffentliche Verkehrsmittel gibt es hier nicht. Die Ärzte sind in einem Gebäude untergebracht, das bis vor wenigen Jahren einem Mafia-Clan gehörte. "Wir haben mit einem umgebauten Bus als Ambulanz für Erntearbeiter angefangen", erinnert sich Alessia Prizzitano, die Verantwortliche der Krankenstation. Heute sind dort im Unterschied zu staatlichen Krankenhäusern auch Übersetzer tätig, die bei der Überwindung kultureller Barrieren helfen.
"Wer hier ankommt, ist gesund, aber das Leben hier macht krank"
Der Knochenjob für wenige Euro pro Kilo mache auch die Robustesten unter ihnen mürbe.
Die illegale Anwerbung der Tagelöhner wird nach Gewerkschaftsangaben von Clans der Ndrangheta, der kalabresischen Mafia, organisiert. Die junge Gewerkschafterin Celeste Logiacco zeigt keine Angst vor den Clans und den illegalen Arbeitsvermittlern. Morgens um fünf geht die Mitarbeiterin der größten italienischen Gewerkschaft CGIL zu den Sammelstellen für Erntehelfer. "Sie wollen wissen, wie sie an eine Aufenthaltsgenehmigung kommen und wie Verträge hier funktionieren, wir beraten sie", schildert die junge Frau ihre Aufgabe.
Die Betroffenen hätten vielfach Angst, Anzeige gegen ihre Ausbeuter erstatten. "Das übernehmen wir als Gewerkschaft", sagt Logiacco unbeeindruckt von der unsichtbaren, aber alles überschattenden Macht der Clans.