Mit einem Aufruf zur Versöhnung und gegen Nationalismus ist am Dienstag in Berlin an den in deutscher NS-Haft gestorbenen polnisch-evangelischen Bischof Juliusz Bursche (1862-1942) erinnert worden. Anlass waren Bursches 76. Todestag und die Wiederentdeckung seiner Grabstelle im vergangenen Jahr.
An der Gedenkfeier auf dem Friedhof Reinickendorf nahmen neben Familienangehörigen Vertreter der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen sowie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) teil. Der aus einer deutschen Familie stammende Bursche war seit 1937 Bischof der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen und trat für ein unabhängiges Polen ein.
"Diese Familie ist auszurotten"
Bischof Markus Dröge von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz sagte in seiner Predigt: "Wir haben als Kirchen die Chance, im versöhnenden und integrierenden Handeln die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen." Zugleich erinnerte er an das Ziel Bursches, eine "evangelische Kirche zu bauen, die Polen und Deutsche eint".
Die stellvertretende Ratsvorsitzende der EKD, Präses Annette Kurschus, bezeichnete Bursche als wichtigen Christuszeugen in dunkelster Zeit. Die Beauftragte des Rates für die deutsch-polnischen Beziehungen erinnerte auch an die Beteiligung des Kirchlichen Außenamtes der Deutschen Evangelischen Kirche an der Verfolgung protestantischer Theologen in Polen in der NS-Zeit.
Nach der Andacht in der Friedhofskapelle wurden Kränze und Blumen an der Grabstelle Bursches abgelegt. Diese war erst nach umfangreichen Recherchen im vergangenen Jahr entdeckt worden. Die Nazis hatten die Herausgabe des Leichnams an die Angehörigen verweigert und den Bestattungsort verschwiegen. Bursche war im Oktober 1939, kurz nach dem deutschen Einmarsch in Polen, verhaftet und nach Berlin gebracht worden. SS-Chef Heinrich Himmler soll persönlich verfügt haben: "Diese Familie ist auszurotten", wie der Urenkel Bischof Bursches, Juliusz Gardawski, bei der Gedenkfeier unter Verweis auf Gefängnisakten sagte.
Der Leitende Bischof der polnisch-evangelischen Kirche, Jerzy Samiec, sagte, auch heute seien Persönlichkeiten wie Bursche nötig, die für die Versöhnung über nationale und konfessionelle Grenzen hinweg stünden. "Lassen wir nicht zu, dass das zerstört wird, was mit großer Mühe gebaut wurde", sagte Samiec mit Blick auf die deutsch-polnischen Beziehungen. Zugleich verwies er wie zuvor Dröge auf die Ostdenkschrift der EKD aus dem Jahr 1965. Weitere kirchliche Versöhnungsgesten nach dem Zweiten Weltkrieg waren etwa das Stuttgarter Schuldbekenntnis (1945), das Darmstädter Bekenntnis (1947) sowie der Brief der polnischen römisch-katholischen Bischöfe an ihre deutschen Amtsbrüder (1965).
Für den Berliner Senat sagte die für bürgerschaftliches Engagement und Internationales zuständige Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD), die Geschichte Bursches sei eine Verpflichtung, sich für Verständigung und gegen Nationalismus einzusetzen. Die Erinnerung an sein Schicksal in der NS-Zeit diene dem Schutz der Demokratie in der heutigen Zeit. Dröge hatte im Oktober vergangenen Jahres in Warschau neu entdeckte Dokumente über Juliusz Bursche an die dortige Kirchenleitung überreicht. Die Urne Bursches soll auf den Warschauer Friedhof St. Trinitatis überführt werden.