Nach seiner Freilassung aus türkischer Haft hat der Journalist Deniz Yücel die Türkei als Willkürstaat kritisiert. In einer Videobotschaft erinnerte an andere in der Türkei verhaftete Journalisten, "die nichts anders getan haben, als ihren Beruf auszuüben". Viele Menschen säßen dort nur im Gefängnis, weil "sie eine oppositionelle Meinung haben", sagte Yücel in der ersten Nachricht nach seiner Freilassung, die am späten Freitagabend vom "Freundeskreis #Free Deniz" auf Facebook veröffentlicht wurde. Inzwischen hat Yücel Berlin bereits wieder verlassen.
In der Videobotschaft kritisierte der 44-Jährige auch die Umstände seiner Freilassung. Noch am 13. Februar habe eine routinemäßige Haftprüfung die "Fortdauer der Untersuchungshaft" ergeben, nur drei Tage später sei er entlassen worden, sagte Yücel. Die Gründe sowohl seiner Inhaftierung vor einem Jahr, als auch seiner Freilassung am Freitag kenne er nicht. Natürlich freue er sich über seine Freilassung, aber es bleibe ein "bitterer Nachgeschmack" zurück.
Yücel hatte mehr als ein Jahr ohne Anklage in der Nähe von Istanbul in Untersuchungshaft gesessen. Ein Istanbuler Gericht nahm am Freitag die Anklage wegen "Propaganda für eine Terrororganisation" und "Aufstachelung des Volkes zu Hass und Feindseligkeit" an. Dafür drohen Yücel zwischen vier und 18 Jahre Haft. Gleichzeitig verfügte das Gericht aber Yücels Entlassung aus der Haft, ohne eine Ausreisesperre zu verhängen. Am Freitagabend war der Journalist in Berlin-Tegel gelandet.
Am Samstag teilte der "Welt"-Korrespondent auf Twitter mit: "Ich bin nicht in Deutschland. Aber ich bin unter Freunden." Auf einem Foto sieht man Yücel mit seiner Ehefrau und acht weiteren Personen.
Kurz danach rief "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt insbesondere die Medien auf, Yücel in Ruhe zu lassen. Die Zeitung bekomme Dutzende von Anfragen zu Yücel. "Deniz geht es gut, er genießt sein Leben in Freiheit, wir lassen ihn in Ruhe. Einverstanden?", teilte Poschardt am Samstag ebenfalls auf Twitter mit.
Das Auswärtige Amt kündigte an, sich nun mit gleicher Kraft für andere zu Unrecht Inhaftierte in der Türkei einzusetzen. Staatsminister Michael Roth (SPD), betonte, man müsse jetzt weiter mit der türkischen Seite im Gespräch bleiben. Es seien noch fünf deutsche Staatsbürger mutmaßlich aus politischen Gründen in der Türkei in Haft, sagte Roth am Samstag im Inforadio von Rundfunk Berlin-Brandenburg.
Zugleich bekräftigte der Staatsminister, es habe im Fall Yücel "keinerlei Deals und erst recht keine schmutzigen Deals", also keine Rüstungszugeständnisse, gegeben. Die Türkei könne von Deutschland "nichts erwarten - außer, dass wir im Gespräch bleiben". Auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte am Freitagabend in den "ARD-Tagesthemen" betont: "Es gibt keinen Deal, weder einen schmutzigen, noch einen sauberen."
Unionsfraktionschef Volker Kauder unterstrich, dass es bis zur einer Normalisierung der Beziehungen mit der Türkei "noch ein weiter Weg" sei. Mit Yücels Freilassung seien die Probleme in den bilateralen Beziehungen noch nicht ausgeräumt, sagte Kauder der "Rheinischen Post" (Online). Ex-Grünen-Chef Cem Özdemir forderte weiterhin eine harte Gangart mit der Türkei. Deutschland solle mit wirtschaftlichen Sanktionen drohen, wenn Ankara nicht zur Rechtsstaatlichkeit zurückkehre, sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Samstag).