"Tag für Tag werden Dalit-Frauen sexuell missbraucht und vergewaltigt, weil Männer aus höheren Kasten denken, sie hätten das Recht dazu", erklärte er.
Falkenberg zufolge hängt die Situation der Frau stark von ihrer Stellung im Kastensystem ab: Dalits, die außerhalb des Kastensystems stehen und abwertend auch Unberührbare genannt werden, hätten aus Sicht der Gesellschaft kaum Rechte. Aber auch patriarchalische Traditionen und der hindu-nationalistische Kurs der Regierung benachteiligten die indischen Frauen, fügte der Historiker und Theologe hinzu.
Indien hat laut Falkenberg in vielen Bereichen eine gute Rechtslage. Straftaten wie Vergewaltigungen seien gesetzlich verboten und mit hohen Strafen belegt. Doch die Umsetzung der Gesetze scheitere, erklärte der 55-Jährige. Es gebe von Partnerorganisationen der Kindernothilfe dokumentierte Fälle, in denen Polizisten, an die sich beispielsweise Dalit-Frauen wegen Missbrauchs wendeten, sich weigerten, die Fälle aufzunehmen.
Viele Benachteiligungen für Frauen
Auch in der Bildung seien Mädchen nach wie vor benachteiligt, oft könnten sie nur fünf Schuljahre absolvieren. Erwachsene Frauen seien kaum selbstbestimmt, sondern stark abhängig von ihren Ehemännern. Eine werdende Mutter hoffe zumeist, einen Jungen zu bekommen, denn ein Mann werde in Indien als der "wertvollere Mensch" betrachtet.
Die Frau heirate den indischen Traditionen zufolge in die Familie des Mannes ein, erklärte Falkenberg. Die Eltern der Braut müssten eine oft hohe Mitgift zahlen. "Es kann sein, dass die Schwiegermutter das Mädchen als Hausmagd missbraucht", sagte der langjährige Indien-Referent der Kindernothilfe. Wenn die Familie des Mannes nicht mit der Frau zufrieden sei, werde sie stark diskriminiert, manchmal geschlagen oder brutal verletzt.
Falkenberg sieht hohe Hürden für die Frauenrechte in Indien. Denn die hindu-nationalistische Partei BJP, die seit 2014 mit Regierungschef Narendra Modi regiert, unterstütze konservative Werte. "Wenn die Partei sich stärker den Traditionen zuwendet, bedeutet es auch gleichzeitig, dass eine Frau weniger zu sagen haben soll", erklärte er.