Das Vibrieren in der Luft wird immer stärker, es füllt den ganzen Hof vor dem Schulgebäude. "Das sind israelische Militärdrohnen", ruft Jamil Hamad, seine Augen suchen den Himmel über Gaza ab. Hamad zeigt auf den Rand des weitläufigen Schulgeländes. "Dort schlug während des letzten Krieges im Jahr 2014 ein Geschoss ein", erinnert sich der Direktor des Gaza Training Centre, einer Berufsschule in dem Palästinensergebiet. Bei dem israelischen Angriff wurden Schüler getötet und verletzt. Während Hamad zu einer Elektrowerkstatt für Lehrlinge eilt, sagt er mit ernster Miene. "Unsere Schüler und wir Lehrer fürchten, dass ein neuer Krieg ausbricht. Wir wollen Frieden." Die Drohne entfernt sich derweil.
Der Nahe Osten im Dezember 2017: US-Präsident Donald Trump hat Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt. Seitdem, so warnt der Chef des UN-Hilfswerkes für die Palästinenser, der Schweizer Pierre Krähenbühl, "sind die Spannungen im Nahen Osten wieder gestiegen". Mit anderen Worten: Die Gefahr eines neuen bewaffneten Konflikts zwischen Palästinensern und Israelis wird größer. Angesichts der Bedrohung gelobt Krähenbühl gegenüber den palästinensischen Flüchtlingen im Gazastreifen und im Westjordanland: "Das Hilfswerk UNRWA ist fest entschlossen ihre Rechte zu schützen und sie zu versorgen."
Das Versprechen gilt vor allem für den Betrieb der Schulen im Gazastreifen und im Westjordanland - eine der Hauptaufgaben des von Israel oft kritisierten UNRWA. Das 1949 gegründete Hilfswerk unterhält in den Palästinenserbebieten gut 350 Bildungseinrichtungen mit knapp 300.000 Schülern. Die UN-Organisation garantiert das Überleben des Schulsystems im permanenten Ausnahmezustand. Ohne UNRWA hätten Generationen von Mädchen und Jungen keine Chance auf Bildung gehabt.
Und das Hilfswerk bietet den Kindern einen Ort der Zuflucht in der Krisenregion - zum Beispiel die Mädchen-Schule im Flüchtlingslager Schufat in der Nähe von Jerusalem. Die Tür zu einem der kargen Klassenräume öffnet sich, zwei Dutzend Mädchen strömen hinein. Gekleidet sind sie in blau-weißen Schuluniformen, die älteren von ihnen tragen Kopftuch. Sie tuscheln. Sie lachen. Mit Eifer erzählen die Acht- bis 15-Jährigen von ihren beruflichen Träumen. Razan "will Fotografin werden". Aya "möchte Menschen als Ärztin helfen". Nihad stellt sich ihre "Zukunft als Übersetzerin" vor. Und Rania hat den Plan "Klienten als Anwältin beiseite zu stehen".
Doch die harsche Realität des Nahostkonflikts holt die Schüler und ihre Lehrer immer wieder ein. In den vergangenen Jahren musste das mehrstöckige Gebäude mehrmals evakuiert werden. Israelische Sicherheitskräfte seien in dem Flüchtlingslager mit Razzien gegen mögliche Extremisten vorgegangen, berichten die palästinensischen Lehrer der Schule. Dabei hätten die Israelis Tränengas eingesetzt, das dann in die Schule geweht sei.
"Sie verletzen unser Recht auf Bewegung", sagt eine der Schülerin. "Sie verletzen unser Recht auf Sicherheit", sagt eine andere Schülerin. Und eine Dritte betont: "Sie verletzen unser Recht auf Frieden." Wenn die kleinen Palästinenserinnen von "sie" und von "ihnen" sprechen, dann meinen sie die Israelis.
Die Israelis wiederum betrachten die Schulen des UN-Hilfswerks mit gemischten Gefühlen. Zwar räumen Vertreter der Regierung in Jerusalem ein, dass die Kinder im Gazastreifen und im Westjordanland in den Einrichtungen eine umfangreiche Bildung erhalten. Aber in den Klassenzimmern werde mit Karten unterrichtet, auf denen der Staat Israel überhaupt nicht erscheine. Die Lehrer predigten "Gewalt und Hass", heißt es aus Regierungskreisen.
Das UN-Hilfswerk weist die Vorwürfe regelmäßig zurück, der Unterricht erfolge gemäß dem Curriculum der palästinensischen Behörden. Mittendrin in dem Streit stehen die Kinder im Gaza und im Westjordanland. Eine Schülerin in dem Klassenraum der Mädchenschule Schufat sagt nur: "Gott ist mit uns, und Gott wird uns schützen."