"Es ist Zeit! Es ist höchste Zeit!" zitierte Kirchenpräsident Volker Jung aus Nietzsches Zarathustra und meinte damit die Digitalisierung in der Kirche. Sein schriftlicher Bericht an die Synode "zeigt aber auch, dass es bisher keine strategische Kommunikation oder Gesamtausrichtung gibt", stellte Jung fest.
Das sei aber unbedingt notwendig. Denn Digitalisierung fordere zu "eingehender theologischer und interdisziplinärer Reflexion heraus". Seit 2014 habe sich die Kirche aber vor allem auf die kommunikativen Herausforderungen der Digitalisierung konzentriert. "Unabhängig davon gibt es aber noch keine klare Linie, ob wir etwa Facebook für eine gezielte Kommunikation nutzen wollen", sagte Jung, der auch Vorsitzender des Aufsichtsrats des Gemeinschaftswerks der evangelischen Publizistik ist.
"Heute – 2017 – ist längst klar: Wenn wir unter dem Gesichtspunkt der Kommunikation auf Digitalisierung schauen, greift das zu kurz", sagte Jung. Künstliche Intelligenz, Internet der Dinge und Automatisierung verändern die Arbeitswelt, die Bildungswelt, Medizin, Pflege und Verkehr. Die so genannte "technologische Singularität" sei in greifbare Nähe gerückt.
Drei Herausforderungen formulierte der Kirchenpräsident:
Die digitale Weiterentwicklung der Organisationen in Kirche und Diakonie werde sich besonders in Partizipations- und Entscheidungsprozessen bemerkbar machen – und in der digitalen Gestaltung geistlicher Angebote.
Für Kommunikation sei Digitalisierung nach wie vor eine zentrale Herausforderung, wie die "regelhafte Kommunikation" mit den Mitgliedern umgesetzt werden könne. In dem Zusammenhang seien auch die Fragen nach der Kooperation mit Konzernen wie Facebook und Google und des Datenschutzes zu beantworten.
Nicht zuletzt stünden aber auch immer noch die Grundsatzfragen im Raum: "Die grundlegende, theologische und interdisziplinäre Reflexion und kritische Begleitung des digitalen Wandels". Der Transformationsprozess sei auch riskant und keineswegs eine Garantie für mehr Gerechtigkeit. Dazu brauche es auch den Beitrag der Kirche. Die kommende Veränderung müsse "so gestaltet werden, dass Menschen Menschen bleiben und nicht zu Maschinen werden" und die Welt gerechter und friedlicher werde.
Die lebhafteste Diskussion der Synode
Die Kirche habe dort einiges einzubringen, allerdings fragte sich Volker Jung auch, "ob wir mit unserer sehr behördlichen Struktur der Dynamik dieses Prozessen gerecht werden". Das "Lernen durch Scheitern" sei allerdings "durchaus mit evangelischem Ethos, aus der Gnade zu leben, kompatibel".
Der Antrag an die Synode, den Jung als Mitglied des Rates der EKD einbrachte, sah ein "Projektteam" vor, das bis zur Synode 2018 für die Synode einen konkreten Vorschlag zum Umgang mit den Herausforderungen des digitalen Wandels erarbeiten soll.
Nach Jung brachte auch der Zukunftsausschuss der Synode seine Anträge zum Thema ein. Rüdiger Sachau von der Evangelischen Akademie Berlin, die Leiterin des Design Research Labs Gesche Joost, Netzpolitik-Redakteur Ingo Dachwitz und die angehende Physikerin Elisabeth Schwarz stellten die Überlegungen vor. Es gebe "das Potential, gleich zwei Schritte nach vorne zu machen", sagte Schwarz. Sachau erläuterte die drei Schwerpunkte, die der Zukunftsausschuss für die Arbeit an Digitalisierung setzen würde: die Vernetzung innerhalb der Landeskirchen, Werken und Diakonie über offene Plattformen; die Arbeit an einer "niemals statischen" Digitalstrategie der EKD; und die Begleitung der Umsetzung.
Die anschließende Diskussion, die sich auf der Synode entwickelte, hatte die höchste Beteiligung der Tagung in Bonn. Superintendent Detlef Klahr lobte das Engagement der Jugenddelegierten, die 2014 das Thema "Kommunikation des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft" auf die Tagesordnung gesetzt hatten. Es sei ein Thema, das die Synode laufend bearbeiten werde.
Monika Kittler, Synodale aus der EKHN, gab zu bedenken, dass auch negative Folgen der Digitalisierung berücksichtig werden sollten, beispielsweise der Wandel oder Wegfall von Arbeitsplätzen im medizinischen Bereich. Der Synodale Stefan Schult de Morais wies darauf hin, dass bei allem Optimismus auch genau hingeschaut werden müsse, welche Investitionen welchen tatsächlichen Erfolg haben.
Pastor Michael Stahl aus der Nordkirche sagte zur Rolle der Landeskirchen: "Wir müssen klug gemeinsame Strukturen finden, damit nicht jeder das Rad neu erfindet." Er wünschte sich "digital leadership" und bestenfalls schon jetzt die Einrichtung eine Projektstelle, die zukünftig noch deutlich ausgebaut werden müsste. Friedemann Kuttler aus Württemberg stieß ins gleiche Horn. Aus seinen Erfahrungen mit dem Digitalisierungsprozess in der württembergischen Landeskirche empfahl er, schon jetzt 500.000 Euro statt nur die bisher vorgeschlagenen 100.000 Euro einzusetzen, um eine Stabsstelle beim Präsidenten des Kirchenamtes der EKD schaffen zu können und bis 2018 der Synode einen guten Vorschlag präsentieren zu können. Er forderte den Rat der EKD auch auf, gezielt darauf zu achten, die bisher nicht digital aktiven Kirchenmitglieder nicht abzuhängen.
Ratsmitglied Michael Diener ergänzte in der Diskussion, dass es "ein evangelisches digitales Profil geben kann", weil Kirche zu den Themen der Digitalisierung etwas zu sagen habe. In seiner Antwort auf die Diskussion sagte auch Kirchenpräsident Jung, dass die theologischen und ethischen Fragen neu in den Blick genommen werden müssten. Das müsse Teil des Prozesses sein.
Die Diskussion in der Synode wird heute am Abend in den Ausschüssen noch einmal beraten, bevor morgen (Mittwoch) die EKD-Synode über die abschließende Beschlussvorlage abstimmt.