Die vorherige Generation in Deutschland habe erlebt, wie leicht man berauscht werden könne an der Unfreiheit, sagte die stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Dienstag in Soest in einem Festgottesdienst der evangelischen Kirchen in Nordrhein-Westfalen. Heute gebe es wieder "Stimmen, die wissen immer schon ganz genau, wer in der Gesellschaft dazugehört und wer nicht", mahnte Kurschus. Diese wollten "mit Masse und Lautstärke entscheiden, wer ganz in Freiheit leben darf und wer nicht".
Die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen hob als positives Gegenbeispiel eine Initiative von Gastwirten in Regensburg hervor, die sich nach einem Überfall von Neonazis auf ein Café gegen Rassismus einsetzen. Diese Aktion sei mit dem Preis "Das unerschrockene Wort" des Bunds der Lutherstädte ausgezeichnet worden.
Der Reformator Martin Luther habe aus der Bibel die befreiende Erkenntnis gewonnen, dass sich die Gnade Gottes nicht verdienen lasse, erläuterte Kurschus. Freiheit werde einem Menschen von Gott geschenkt. "Ich bin von Gott geachtet und gewürdigt - mit allen meinen Unzulänglichkeiten und Abgründen." Die von Gott geschenkte Freiheit komme jedoch erst dann zur Erfüllung, wenn sie auch die Mitmenschen frei mache, unterstrich Kurschus in dem vom WDR-Fernsehen übertragenen Gottesdienst.
Am Reformationstag erinnern Protestanten in aller Welt an den Beginn der Reformation vor 500 Jahren. Martin Luther (1483-1546) hatte im Jahr 1517 seine 95 Thesen gegen die Missstände in der Kirche seiner Zeit veröffentlicht. Der Thesenanschlag gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte. Aus Anlass des Jubiläums ist der Reformationstag in diesem Jahr einmalig bundesweit ein gesetzlicher Feiertag.