Bundesweit hat die evangelische Kirche am Reformationstag des Thesenanschlags Martin Luthers vor genau 500 Jahren gedacht. An dem historischen Datum herrschte allerorten großer Andrang zu den Gottesdiensten, im Kurznachrichtendienst Twitter war #Reformationstag am Vormittag der meistgenutzte Hashtag. In der Wittenberger Schlosskirche, an deren Tür Luther der Überlieferung nach am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen angeschlagen hatte, rief die Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, dazu auf, sich stärker und offen zum Glauben zu bekennen.
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Am Dienstagnachmittag sollten die Feiern zum 500. Reformationsjubiläum in Wittenberg mit einem zentralen Festgottesdienst und einem Festakt mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihren Höhepunkt erreichen.
Reformationsbotschafterin Käßmann sagte in ihrer Predigt in der Schlosskirche, dass ein Bekenntnis zum christlichen Glauben in Deutschland heute keine Heldentat mehr darstelle. "Umso mehr sollten wir uns ermutigt fühlen, damit nicht hinter dem Berg zu halten, so sehr andere uns auch belächeln oder gar beleidigen mögen dafür", fügte die frühere EKD-Ratsvorsitzende hinzu.
Käßmann würdigte, dass das 500. Reformationsjubiläum mit Christen aus Tansania, Brasilien, Korea, den Philippinen, Mexiko, den USA und aus ganz Europa gefeiert worden sei. Es habe damit einen ganz anderen Akzent gesetzt als frühere deutsch-national geprägte Jubiläen In einer Zeit, in der rückwärtsgewandte Nationalisten neue Grenzen setzen wollten, sei dies "ein ganz besonderes, ein sehr klares Signal".
Im Zeichen der Annäherung zwischen Protestanten und Katholiken stand ein zeitgleicher Gottesdienst in der Wittenberger Stadtkirche. Die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Ilse Junkermann, und der Bischof des Bistums Magdeburg, Gerhard Feige, hoben in einer Dialogpredigt die ökumenische Verbundenheit hervor, die im Jubiläumsjahr gestärkt worden sei.
Die westfälische Präses Annette Kurschus rief in Soest bei einem Festgottesdienst der evangelischen Kirchen in Nordrhein-Westfalen zu Toleranz und Mitmenschlichkeit auf. Die vorherige Generation in Deutschland habe erlebt, wie leicht man berauscht werden könne an der Unfreiheit, sagte die stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende. Heute gebe es wieder "Stimmen, die wissen immer schon ganz genau, wer in der Gesellschaft dazugehört und wer nicht", mahnte Kurschus.
Beim zentralen Gottesdienst der bayerischen Landeskirche in Nürnberg appellierte Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm an die Kirche, mit dem Beschwören von Krisenszenarien aufzuhören. "Es ist viel mehr Kraft in der Kirche, als wir meinen", sagte der EKD-Ratsvorsitzende. In allen 20 evangelischen Landeskirchen gab es am Dienstag zahlreiche Gottesdienste und Veranstaltungen zum Reformationsjubiläum. Einmalig war der Reformationstag bundesweit arbeitsfrei.
Der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber rief in der Potsdamer Nikolaikirche dazu auf, die Botschaft Luthers weiterzutragen. Reformationsbotschafter könnten alle sein, die an die Gnade Gottes und die Kraft des Evangeliums glaubten.
Lutheraner und der Vatikan sandten derweil ein Signal für ein gemeinsames Abendmahl. Die Hoffnung nach einer ungeteilten Eucharistiefeier an einem Tisch solle wahr werden als konkreter "Ausdruck der vollen Einheit", heißt es in einer in Genf veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme des Lutherischen Weltbundes (LWB) und des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Das Verständnis von Kirche, Eucharistie und Amt solle "mit dem Ziel der Überwindung der zwischen uns verbleibenden Differenzen" überprüft werden.
Luthers überlieferter Thesenanschlag vom 31. Oktober 1517 gilt als zentraler Ausgangspunkt der weltweiten Reformationsbewegung, die zur Spaltung in evangelische und katholische Kirche führte. Zum 500. Reformationsjubiläum hatten Kirche, Staat und Gesellschaft seit einem Jahr mit vielen Veranstaltungen an die von der Reformation ausgelösten Umbrüche erinnert.