Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat die Kirche aufgerufen, mit dem Beschwören von Krisenszenarien aufzuhören. In seiner Predigt im zentralen Gottesdienst der bayerischen Landeskirche zum Reformationsfest am Dienstag in Nürnberg sagte der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm laut Redemanuskript: "Es ist viel mehr Kraft in der Kirche, als wir meinen." Er forderte zum 500. Jubiläum der Reformation eine Erneuerung. "Macht euch frei von der Fixierung auf das Frühere", sagte er in der vom Bayerischen Rundfunk im Fernsehen übertragenen Feier.
Der Impuls zur Erneuerung komme aber nicht durch Diskussion, Planen und Organisieren, sagte Bedford-Strohm, sondern durch "Hören, Kraft schöpfen und dann Leben und Hoffen". Das sei der "entscheidende Vitaminstoß", den die Kirche heute brauche, sagte der EKD-Ratsvorsitzende.
Die Kirche stehe immer wieder in der Auseinandersetzung zwischen dem Alten und dem Neuen, erläuterte Bedford-Strohm. Als Beispiel nannte er die Digitalisierung. Während die einen die Botschaft des Evangeliums in digitalen Medien weitergeben wollten, stellten andere die Frage, ob durch Computer in der Kirche das Menschliche verloren gehe.
Bedford-Strohm reist am Mittag weiter nach Wittenberg, um als oberster Repräsentant der deutschen Protestanten auch beim zentralen Festgottesdienst zum 500. Reformationsjubiläum zu predigen. Beim anschließenden Festakt hält Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Festrede.
Vor 500 Jahren hatte Martin Luther (1483-1546) der Überlieferung nach 95 Thesen zu Missständen in der Kirche seiner Zeit an die Tür der Wittenberger Schlosskirche geschlagen. Dieses Ereignis gilt heute als zentraler Ausgangspunkt der weltweiten Reformationsbewegung, die zur Spaltung in evangelische und katholische Kirche führte. Zum 500. Reformationsjubiläum hatten Kirche, Staat und Gesellschaft seit einem Jahr mit vielen Veranstaltungen an die von der Reformation ausgelösten Umbrüche erinnert. Der 31. Oktober ist in diesem Jahr einmalig ein bundesweiter Feiertag.