Musikalische Zeitreise an die Orte, an denen vor 500 Jahren Weltgeschichte geschrieben wurde: Das eigens für das 500. Reformationsjubiläum komponierte Luther-Oratorium ist am Sonntag in der Georg-Friedrich-Händel Halle im sachsen-anhaltischen Halle in einer Weltpremiere auf die Bühne gebracht worden. Die Geschichte um das Leben und Wirken des Reformators Martin Luther (1483-1546) stieß auf großes Zuschauerinteresse. In acht Szenen wird basierend auf einem Libretto des Schriftstellers Christoph Hein die bewegte Zeit vom Reformationsjahr 1517 bis zum Reichstag zu Speyer 1529 geschildert. Die Musik dazu komponierte der argentinische Komponist Oscar Strasnoy.
Das Oratorium in der Regie von Andreas Morell war anlässlich des 500. Reformationsjubiläums von der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt initiiert worden. Aufgeführt wurde es von der Staatskapelle Halle und dem Ernst Senff Chor Berlin. Insgesamt waren 60 Mitwirkende an der vertonten Reformationsgeschichte beteiligt, darunter sieben Solisten. Die Gesamtleitung hatte Michael Wendeburg, erster Kapellmeister der Oper Halle und Spezialist für zeitgenössische Musik. Die Arthaus Musik GmbH zeichnete die Aufführung auf und will diese dann einem breiten Publikum zugänglich machen. Die DVD soll voraussichtlich im Frühjahr kommenden Jahres erscheinen.
Im Mittelpunkt des Stückes steht ein selbstbewusster, starker, durchaus auch arroganter Luther, ein widersprüchlicher Egozentriker. Christoph Hein spiegelt mit der Figur seine Sicht auf Luther und die Welt. "Luther war ein großer Machtmensch. Das gehörte dazu, um eine solche Reformation anzustoßen", sagte Hein kürzlich bei der Vorstellung des Projekts in Berlin. Strasnoy, dessen Opern am Pariser Théâtre du Châtelet und der Oper Zürich ebenso gefeiert wurden wie in Hamburg oder Berlin, berichtete von den Bezügen zu Bach als Basis seiner Arbeit: "Luther war immer durch Bach filtriert. Bach zitiert Luther und ich zitiere Bach."
Die Szenerie des Oratoriums beginnt im Jahr 1517: Luther, dargestellt von Tenor Michael Pflumm, begegnet Papst Leo X. (Countertenor Johannes Euler) und hält Zwiesprache mit einem Engel (Sopranistin Josephine Renelt), der ihn durch das gesamte Stück begleitet. Luther wird in Rom zunächst als "Wittenberger Wirrkopf" oder "verirrtes Schaf" bezeichnet. Er gebe "verworrenen Quark" von sich, heißt es. In Worms wird er später als Ketzer gebrandmarkt, soll widerrufen, aber er kann und will nicht.
1522 verteilt Luther in Wittenberg Bibeln, hält das erste gedruckte Exemplar der Luther-Bibel hoch. Er trifft dort dann auch die Nonne Katharina von Bora (Mezzosopranistin Henriette Gödde). In einem durchaus humorvollen Dialog beschließen beide ihre Ehe. Am Ende des Stückes ist die Einheit der Kirche zerbrochen. Die Bürger feiern Luther. Der Engel, in rotes Licht getaucht, prophezeit Jahrhunderte von Mord und Totschlag. Doch am Ende bleibt auch eine Vision eines guten Endes. Schnell und spannend werden die Zuschauer durch dieses Stück Weltgeschichte geführt.
Das Oratorium entstand mit langer Vorlaufzeit. Bereits vor sieben Jahren wurde es auf den Weg gebracht. Manon Bursian, Direktorin der Kunststiftung, bezeichnete das Werk als "etwas sehr Großes" und "Statement für die Kunst". Sie hofft, das Werk nach den beiden Aufführungen am Sonntag und Montag möglicherweise auch auf die internationale Bühne zu bringen.