Das Bild eines absolut friedfertigen Buddhismus sei ein hartnäckiges Klischee im Westen, erklärte Eißler zum Konflikt zwischen militanten Buddhisten, darunter auch Mönche, und der muslimischen Minderheit in Myanmar.
Der Begriff Buddhismus an sich sei bereits eine "Projektion westlicher Sehnsucht", fügte Eißler hinzu. Wie im Christentum oder Hinduismus gebe es sehr viele unterschiedliche buddhistische Strömungen und Gruppen und auch religiöse Ausprägungen. "Aber wir sprechen pauschal vom Buddhismus und wie friedliebend er ist", sagte der Theologe.
Das fast ausschließlich positive Bild des Buddhismus in Deutschland hänge zusammen mit der Entstehungsgeschichte buddhistischer Gruppen hierzulande. Der Philosoph Arthur Schopenhauer (1788-1860) etwa habe im 19. Jahrhundert für den Buddhismus als vermeintlich vernünftigere Religion im Gegensatz zum Christentum geworben.
Ideal eines gewaltfreien Buddhismus
Der protestantische Pfarrerssohn Karl Seidenstücker wiederum, einer der wichtigsten buddhistischen Pioniere in Deutschland, gründete 1903 in Leipzig den "Buddhistischen Missionsverein für Deutschland". Den Gräueln der christlichen Zivilisation stellte er das Ideal eines gewaltfreien Buddhismus gegenüber.
Doch auch dem Buddhismus seien Gewalt und Aggression nicht fremd, sagte Eißler und verwies auf die Verfolgung von Christen im buddhistisch geprägten Japan im 17. Jahrhundert. Zudem hätten Japaner in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts massiv in Korea missioniert. Im Zweiten Weltkrieg sei in Japan von offizieller Seite zum Töten der Feinde aufgerufen worden, etwa mit dem Einsatz von Jugendlichen als Kamikaze-Kämpfer.
"Im Westen mystifiziert und glorifiziert"
Im tibetischen Buddhismus hätten Lamas zudem über Jahrhunderte hinweg auch durchaus mit Gewalt über die Landbevölkerung geherrscht. Und selbst in dem "im Westen mystifizierten und glorifizierten" Bhutan seien in den 1990er Jahren rund 100.000 nepalesische Hindus vertrieben worden, erinnerte Eißler: "Solche Geschichten werden bei uns kaum zur Kenntnis genommen."
In Tibet habe es bis Anfang der 1970er Jahre Mönchsmilizen gegeben, die sich gegen die Chinesen zur Wehr setzten, sicherlich auch mit Hilfe des CIA, fügte Eißler hinzu. Das werde gerne vergessen, weil man mit Tibet in erster Linie den 1989 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Dalai Lama verbinde, der das positive Buddhismus-Image im Westen auch für seine Politik gegen China im Sinne eines gewaltfreien Widerstandes nutze.
Auch im Christentum Nächstenliebe zentral
Natürlich seien das Prinzip des Nichtverletzens und das Gebot des Mitfühlens mit allen Wesen Grundsätze des Buddhismus, betonte der promovierte evangelische Theologe. Aber auch im Christentum gehöre die Nächstenliebe zu den zentralen Lehren. Man müsse daher bei religiös aufgeladenen Konflikten immer auch fragen, welchen Anteil die Religion jeweils hat und welche anderen Faktoren wie Ethnie, Kultur und Machtpolitik eine Rolle spielen.