Die Kirchen protestierten ihrerseits unter dem provokanten Motto "Unser Kreuz hat keinen Haken" gegen den Kölner AfD-Parteitag. Nun hat die rheinland-pfälzische AfD-Fraktion am Mittwoch ein Positionspapier vorgestellt, das den Wunsch nach Dialog unterstreicht und sich wie ein Angebot zum Waffenstillstand liest.
"Kirchenpolitisches Manifest" steht als Titel über den zehn Thesen, die die Fraktionsspitze am Mittwoch im Mainzer Landtag vorstellte. Darin hat der kirchenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Michael Frisch, aufgeschrieben, warum er zwischen christlichem Ethos und AfD-Parteiprogramm keinen Widerspruch sieht. Dass ausgerechnet seine Partei, die lauter als alle anderen verkündet, sie kämpfe für den Erhalt einer vom Christentum geprägten Gesellschaft, von führenden Kirchenvertretern als unwählbar dargestellt wird, will der frühere Religionslehrer nicht gelten lassen.
"Auch der barmherzige Samariter hat den von Räubern überfallenen Mann nicht zu sich nach Hause gebracht und ihn dort dauerhaft alimentiert"
So hatte der Präses der rheinischen Landeskirche, Manfred Rekowski, Anfang des Jahres erklärt, die AfD vertrete in politischen Diskussionen Positionen, die "deutlich der biblischen Botschaft widersprechen" würden: "Das ist keine Alternative für Christen, sondern eine Pervertierung des christlichen Glaubens." Solche Kritik sei "oberflächlich, unbedacht und ungerecht", findet Frisch.
In der Flüchtlingspolitik etwa gebe es sehr wohl Alternativen zur Grenzöffnung von 2015, argumentiert der AfD-Politiker, etwa bessere Hilfen für die Nachbarstaaten der Kriegsgebiete: "Auch der barmherzige Samariter hat den von Räubern überfallenen Mann nicht zu sich nach Hause gebracht und ihn dort dauerhaft alimentiert." Auch könne seine Partei es nicht nachvollziehen, warum es aus der Kirche so gut wie keine Kritik an den etablierten politischen Kräften gebe: "Obwohl diese etwa zu Abtreibung, Gender, Ehe und Familie alles andere als christliche Werte vertreten, ist von einer diesbezüglichen Distanzierung wenig zu hören."
Die Kirchen ringen seit Jahren über den richtigen Umgang mit der rechtskonservativen Partei, denn ein nicht unerheblicher Teil der konservativen Christen liebäugelt durchaus mit deren Positionen. Der Buchautor, Journalist und Theologe Wolfgang Thielmann ("Alternative für Christen?: Die AfD und ihr gespaltenes Verhältnis zur Religion") hält die klare inhaltliche Abgrenzung zur AfD dennoch im Prinzip für richtig - gerade wegen der Differenzen in der Flüchtlingspolitik: "Für die christliche Kultur ist prägend, wie man Menschen in Not aufnimmt."
Das zuweilen sehr provokante Auftreten von AfD-Vertretern rechtfertige grundsätzlich die Beteiligung an Gegenprotesten, findet Thielmann. Er vermisse auch jede Form von Selbstkritik, wenn in der AfD wieder einmal jemand mit extremen Positionen auffalle. Dennoch hält er es für falsch, dass sich die Kirchen weitgehend dem Dialog verweigern, etwa zu Podien mit Parteienvertretern die AfD nicht einladen. Sich bei der Kritik der AfD "hinter die sicheren Mauern eines Kirchenamtes" zurückzuziehen, sei nicht richtig.
Ob der Wunsch nach ernsthaftem Dialog, den die AfD in Rheinland-Pfalz für sich einfordert, in den anderen Landesverbänden für ebenso wichtig erachtet wird, bleibt fraglich. So gab es in Hessen erst kürzlich Ärger um die Wahlwerbung eines AfD-Bundestagskandidaten. Der hatte sich vor einer Kirche fotografieren und dazu den Spruch drucken lassen: "Meine Nächsten sind nicht die jungen Männer aus Afrika." Das katholische Bistum Fulda protestierte, und selbst der AfD-Abgeordnete Frisch räumt auf Nachfrage ein, dass das keine besonders gute Idee gewesen sei.