Dekan Jörg Dittmar aus Kempten ist besorgt. In zwei bayerischen Gemeinden wird derzeit gegen den Kirchenvorstand ermittelt. Im Dekanat habe es in den vergangenen beiden Jahren mehrere Kirchenasyl-Fälle gegeben. Derzeit versuchten die Ermittler herauszufinden, welche Kirchenvorsteher an einer Entscheidung für ein Kirchenasyl beteiligt gewesen seien, erzählt Dittmar. Die Betroffenen fühlten sich bedrängt, berichtet der Dekan: "Auch ich muss sagen: Ich finde dieses Vorgehen bedrückend." Denn damit würden Ehrenamtliche kriminalisiert, die mit ihrem Engagement geholfen haben, die Flüchtlingskrise zu bewältigen.
Oberkirchenrat Michael Martin leitet die Abteilung "Ökumene und Kirchliches Leben" im Landeskirchenamt. Er bezeichnet das verschärfte Vorgehen der Staatsanwaltschaften als "völlig neue Dimension der Strafverfolgung in Bayern". Neu ist, dass die Ermittlungen nicht mehr nur die Pfarrer träfen, sondern auch ganze Kirchenvorstände. Von zwei Kirchengemeinden habe die Staatsanwaltschaft die Protokolle der Kirchenvorstandssitzungen angefordert, um gegen die am Kirchenasyl Beteiligten zu ermitteln. Die Behörden begründen ihre Ermittlungen mit dem "Legalitätsprinzip", nach der Rechtsauffassung der Landeskirche sei ein Kirchenasyl aber gar keine Straftat, sagt Oberkirchenrat Martin.
Ist Kirchenasyl ein kirchlicher Auftrag?
Der Ansprechpartner für Fragen zum Kirchenasyl im Dekanat Fürth, Pfarrer Kuno Hauck, forderte am vergangenen Freitag von der Kirchenleitung mehr Rückendeckung für Gemeinden, die Kirchenasyl gewähren. Pfarrer und Gemeinden, die Flüchtlinge in ihrer Gemeinde aufnehmen, setzten den kirchlichen Auftrag um", Kirchenasyl sei nicht ihre Privatangelegenheit. Hauck moniert, dass die Landeskirche verhängte Bußgelder gegen Pfarrer nicht übernehmen will, die sie aufgrund durchgeführter Kirchenasyle bekommen hätten.
Oberkirchenrat Martin antwortete darauf, dass jedes gewährte Kirchenasyl eine Gewissensentscheidung für den Pfarrer oder die Pfarrerin sei. Diese und auch die möglicherweise resultierenden rechtlichen Konsequenzen könne die Landeskirche den Pfarrerinnnen und Pfarrern nicht abnehmen, zum Beispiel also verhängte Bußgelder. "Allerdings sprechen wir auf allen Ebenen - der Landesbischof, der Politikbeauftragte und wir als Fachabteilung - mit den zuständigen Ministern und den Verantwortlichen in den Ministerien um die Situation zu entspannen", sagte Martin. Zugleich räumte er ein, dass sich durch diese Bemühungen "überhaupt nichts" geändert habe.
Der bisherige Kirchenasyl-Koordinator Stephan Theo Reichel kritisiert eine gewisse Verzagtheit der Kirchenleitung in letzter Zeit beim Thema Kirchenasyl. So sei vielen Betroffenen der Protest und Widerspruch der Kirchenleitung bei Bußgeldern und Strafverfahren gegen Pfarrer und ehrenamtliche Kirchenvorstände "zu leise" ausgefallen. Man könne mit Behörden und Regierung hinter verschlossenen Türen verhandeln und hoffen, dass sich etwas ändere, sagte er: "Aber diese Hoffnung wurde oft enttäuscht." Die Behörden machten trotz aller Gespräche einfach mit dem Versuch der Illegalisierung von Kirchenasylen weiter, beklagt er.