Während des G20-Gipfels wurde insgesamt 32 Journalisten eine bereits erhaltene Akkreditierung wieder entzogen. Neun der 32 Journalisten wurde aus diesem Grund am vergangenen Samstag der Zugang zum Pressezentrum in der Hamburger Innenstadt verwehrt. Unter ihnen waren auch die Fotojournalisten Chris Grodotzki (der im Auftrag von "Spiegel Online" arbeitete) und Björn Kietzmann (von der Fotoagentur "Action Press").
Die beiden vermuten einen Zusammenhang zwischen ihrer kritischen Türkeiberichterstattung und dem Ausschluss von der journalistischen Betätigung beim G20-Gipfeltreffen. Björn Kietzmann sagte dazu dem Internetportal jetzt.de: "Mit zwei Kollegen hatte ich einen Transport begleitet, der Hilfsgüter an die türkisch-syrische Grenze brachte. Wir wollten die Stimmung in der kurdischen Stadt Diyarbakir aufgreifen, wo wir von türkischen Behörden festgesetzt wurden. Der Vorwurf, wir seien ausländische Spione, kostete uns 31 Stunden in Gewahrsam.“ Den Film über diesen Hilfstransport, den die beiden Fotografen Grodetzky und Kietzmann zusammen mit Ruben Neugebauer produziert hatten, veröffentlichte evangelisch.de im März 2015.
Laut einem Bericht des ARD-Hauptstsadtstudios nähren diese Vorgänge den Verdacht, dass über den Entzug der Akkreditierungen nach dem Austausch mit ausländischen Nachrichtendiensten entschieden wurde. "Es wäre ungeheuerlich, wenn die Daten über Journalisten an Nachrichtendienste autoritärer Regime übermittelt worden wären", sagte der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.
Die Bundesregierung hingegen trat diesen Spekulationen entgegen. Die von den Sicherheitsbehörden als Grund geäußerten "Sicherheitsbedenken" resultierten "ausschließlich aus eigenen Erkenntnissen deutscher Behörden", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert dazu.
Die Chefredaktion von "Spiegel Online" äußerte sich indessen zum Entzug der Akkreditierung von Chris Grodotzki verärgert: "Ein unbegründeter Entzug der G20-Akkreditierung eines unserer Mitarbeiter ist nicht hinnehmbar. Wir erwarten von den zuständigen Behörden, dem Bundeskriminalamt, dem Bundespresseamt und dem Bundesinnenministerium, eine Aufklärung des Sachverhalts. Wir prüfen gemeinsam mit dem Kollegen das weitere Vorgehen."
Bundesdatenschutzbeauftragte prüft
Mit Blick auf Kritik von Datenschützern an dem Verfahren des nachträglichen Akkreditierungsentzugs schaltete sich nun auch die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff (CDU) ein. Wie ein Sprecher der Beauftragten dem Evangelischen Pressedienst (epd) bestätigte, wird der Fall geprüft. Die beteiligten Behörden seien um eine Stellungnahme gebeten worden. Unter anderem stieß das Vorgehen der Informationsweitergabe auf Kritik, aber auch das Verhalten der Polizisten, die die Listen mit den betroffenen Personen bei sich hatten.
Die Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) forderte eine lückenlose Aufklärung der Fälle. Die Betroffenen müssten umfassend informiert und die erhobenen Daten vernichtet werden, betonte Bundesgeschäftsführerin Cornelia Hass. Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) verlangte weitere Erklärungen. "Es ist an der Zeit, Fakten zu präsentieren", sagte der Bundesvorsitzende Frank Überall: "Was war an diesen Informationen angeblich so gravierend, dass es den Eingriff in die Pressefreiheit und die Berufsausübung der Betroffenen rechtfertigte?" Netzwerk Recherche erklärte, das Bundespresseamt müsse die betroffenen Journalisten "umgehend und über sämtliche der angeblichen Erkenntnisse informieren."
"Reporter ohne Grenzen" forderte, die Bundesregierung müsse "unmissverständlich klarstellen", ob ausländische Informationen, die an deutsche Behörden übermittelt wurden, bei der Entscheidung herangezogen worden seien. Die Darstellung, die Erkenntnisse stammten ausschließlich von deutschen Behörden, lasse die Möglichkeit zu, dass es sich um Erkenntnisse etwa des Bundesnachrichtendienst handele, die dieser zuvor von einem ausländischen Geheimdienst erhalten habe. Auch der DJV erklärte, die Vermutung sei bislang nicht "glaubwürdig aus der Welt geschafft" worden.