Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben am Freitag unterschiedlich auf die Bundestagsentscheidung zur "Ehe für alle" reagiert. Während die katholische Kirche sich kritisch äußerte, begrüßten Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) den Beschluss. Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm schrieb bei Facebook: "Ich wünsche mir, dass jetzt weder Triumphgefühle auf der einen Seite noch Bitterkeit auf der anderen Seite den Ton angeben."
Er wünsche sich vielmehr, dass ein neues Bewusstsein entstehe "für das wunderbare Angebot der Ehe, in lebenslanger Treue und Verbindlichkeit miteinander leben zu dürfen", erläuterte Bedford-Strohm. Der Berliner Erzbischof Heiner Koch indes erklärte als Vorsitzender der Kommission für Ehe und Familie der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, er bedauere, dass der Gesetzgeber wesentliche Inhalte des Ehebegriffs aufgegeben habe, "um ihn für gleichgeschlechtliche Partnerschaften passend zu machen".
Mit der Bundestagsentscheidung sei "eine differenzierte Wahrnehmung unterschiedlicher Partnerschaftsformen" aufgegeben worden, betonte Koch. Dabei bedeute Differenzierung nicht gleich Diskriminierung. Die Väter des Grundgesetzes hätten der Ehe einen so herausragenden Platz in der Verfassung gegeben, "weil sie diejenigen schützen und stärken wollten, die als Mutter und Vater ihren Kindern das Leben schenken wollen". Werde jetzt vor allem der Schutz von Beziehungen und die Übernahme gemeinsamer Verantwortung als Begründung für die Öffnung der Ehe vorgebracht, so bedeute dies eine wesentliche inhaltliche Umgewichtung und eine Verwässerung des klassischen Ehebegriffs, sagte Koch.
"Lange Geschichte der Diskriminierung zu Ende"
Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung begrüßte dagegen die Entscheidung des Bundestags. Er erklärte in Darmstadt, damit gehe eine "lange Geschichte der Diskriminierung zu Ende". Zudem stärke der Beschluss die Ehe "als Schutzraum einer verbindlichen, verlässlichen und verantwortungsvoll gelebten Partnerschaft". Seiner Meinung schwächt die "Ehe für alle" nicht die Ehe, wie manche befürchteten, sondern stärke sie in ihrer Eigenschaft als eine auf Dauer angelegte und verantwortungsvoll gelebte Verbindung zweier Menschen.
In der Entscheidung des Bundestags spiegelt sich nach den Worten des Kirchenpräsidenten auch "eine konsequente Weiterentwicklung der Neubewertung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften wider". Jung zählt zu den Pionieren der Gleichstellung von Schwulen und Lesben in der evangelischen Kirche. Die hessen-nassauische Kirche war 2013 die erste Landeskirche in Deutschland, die die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare mit der Trauung heterosexueller Paare gleichgestellt und die Eintragung ins Kirchenbuch ermöglicht hat.
Die saarländische Ministerpräsidentin Annette Kramp-Karrenbauer (CDU) erklärte, sie persönlich lehne die "Ehe für alle" weiterhin ab. Sie bedaure die Entscheidung des Bundestages, respektiere aber die Entscheidung jedes Einzelnen. Es sei richtig gewesen, sie für jeden Abgeordneten freizugeben.
"Sieg für die Liebe"
Der Vorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU, Thomas Rachel, betonte in einer persönlichen Erklärung zur Bundestagsabstimmung, der Begriff der Ehe habe eine lange kulturelle und religiöse, christliche Tradition als eine auf Lebenszeit angelegte Verbindung von Mann und Frau. Die Ehe solle daher nicht umdefiniert werden. Das sei ohne eine Verfassungsänderung aus seiner Sicht nicht möglich, sagte Rachel, der auch dem Rat der EKD angehört.
Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD) feierte hingegen die Bundestagentscheidung als einen "Sieg für die Liebe". Mit der Öffnung der Ehe sei endlich die volle rechtliche Gleichstellung von homosexuellen Paaren durchgesetzt, erklärte Barley. Sie freue sich, dass das noch in dieser Legislaturperiode gelungen sei.
Die Vorsitzende der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, sprach von einem historischen Tag. Sie appellierte an die Politik, die Öffnung der Ehe für alle nicht als eine Frage von parteipolitischen Triumphen oder Niederlagen zu begreifen. Es gehe um gleiche Rechte für alle. Niemand verliere etwas, sagte Lüders: "Alle gewinnen."
Der Lesben- und Schwulenverband erklärte, ob man in Deutschland heiraten dürfe oder nicht, entscheide künftig nicht mehr das Geschlecht, sondern Liebe, Zusammenhalt und das Versprechen, in guten wie in schlechten Zeiten füreinander da zu sein. Das sei ein historischer Tag nicht nur für Lesben und Schwule, bilanzierte der Vorstand des Verbandes. Nun werde es darum gehen, aus der gesetzlichen Gleichstellung auch eine gelebte Akzeptanz im Alltag zu machen.
Als "grundfalsch" bezeichnete hingegen der AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland die "Ehe für alle". Der Bundestag habe sich dem Wunsch einer opportunistischen Kanzlerin gebeugt und einen schweren gesellschaftlichen Fehler begangen, erklärte er. Nur Familien mit Kindern sicherten die Zukunft der Gesellschaft, der sozialen Sicherungssysteme und der Wirtschaft.
Der Bundestag hatte am Freitagmorgen in Berlin mit einer deutlichen Mehrheit die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare beschlossen. Dafür stimmten in einer namentlichen Abstimmung 393 Abgeordnete - und damit auch ein gutes Viertel aus den Reihen der Union. Gegenstimmen gab es 226, vier Abgeordnete enthielten sich.