Der Umgang mit Lehrerinnen, die im Schuldienst das muslimische Kopftuch tragen wollen, beschäftigt weiterhin das Land Berlin: Vor dem Berliner Arbeitsgericht wurden am Montag erneut Entschädigungsklagen zweier abgelehnter Lehramtsbewerberinnen verhandelt, die dem Land Berlin vorwarfen, wegen ihres Kopftuchs bislang nicht in den Schuldienst eingestellt worden zu sein. Beide Frauen hatten sich im Januar als Quereinsteigerinnen für die Fächer Mathematik und Informatik um eine Stelle an einem Berliner Gymnasium beworben. Ein erstes Bewerbungsgespräch habe mit dem Hinweis geendet, dass das Tragen des muslimischen Kopftuchs in den betreffenden Schulen nicht möglich sei.
Im Fall der Bewerberin Hatice C. einigten sich die Klägerin und das Land Berlin in einer Güteverhandlung. Demnach wird das Land Berlin verpflichtet, eine Entschädigung in Höhe von zwei Monatsgehältern oder 6.915 Euro zu zahlen. (AZ 58 Ca 7190/17). Bis zum 17. Juli kann Widerspruch eingelegt werden. Im Fall der Bewerberin Abeer K. soll eine weitere mündliche Verhandlung vor der Kammer des Arbeitsgerichts stattfinden. Der neue Verhandlungstermin steht noch nicht fest. Das weitere Vorgehen werde geprüft, sagte Rechtsanwältin Maryam Haschemi Yekani (AZ 58 Ca 7193/17).
Die Juristin verwies darauf, dass Mathematik und Informatik sogenannte Mangelfächer seien, wo der Bedarf an Lehrkräften besonders hoch sei. Dass ihre Mandantinnen trotz Lehrermangels vom Land Berlin nicht eingestellt worden seien, begründete die Anwältin mit Vorbehalten der Schulbehörde gegen das muslimische Kopftuch. Haschemi warf dem Land Berlin zudem vor, das Berliner Neutralitätsgesetz nicht verfassungskonform auszulegen.
Erst Anfang Februar hatte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in zweiter Instanz das Land Berlin dazu verurteilt, einer abgewiesenen Lehramtsbewerberin mit muslimischem Kopftuch eine Entschädigung von 8.680 Euro zu zahlen. Weiter forderten die Richter, das Berliner Neutralitätsgesetz - das religiöse Symbole bei Lehrkräften an staatlichen Schulen weitgehend verbietet - verfassungskonform auszulegen. Laut Bundesverfassungsgericht ist ein generelles Verbot eines muslimischen Kopftuchs ohne konkrete Gefährdung des Schulfriedens nicht zulässig.
Die Sprecherin der Berliner Senatsbildungsverwaltung, Beate Stoffers, verwies auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) darauf, dass die Bewerbungsverfahren der beiden Klägerinnen im Januar stattgefunden hatten und damit vor dem jüngsten Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg. Inzwischen habe die Berliner Schulverwaltung das Einstellungsverfahren geändert. "Es werden im Bewerbungsgespräch keine religiösen Merkmale und Symbole angesprochen", sagte Stoffers.
Zudem verwies die Sprecherin darauf, dass eine Klägerin zunächst auch bereit gewesen sei, eine Perücke zu tragen. "Und es gab auch eine Schule, in die sie hätte gehen können", so Stoffers. Dann habe die junge Frau von diesem Kompromiss wieder Abstand genommen. Wie unterdessen weiter bekannt wurde, läuft derzeit ein weiteres Bewerbungsverfahren der jungen Frau. Diesmal will sie als Lehrerin an einer Berliner Berufsschule tätig werden, wo das Tragen des Kopftuchs erlaubt ist.
Vor dem Hintergrund des Berliner Neutralitätsgesetzes sorgt das Tragen von religiösen Symbolen an Schulen in der Bundeshauptstadt immer wieder für Streit. Zuletzt war auch einer Lehrerin, die eine Kette mit einem Fisch-Anhänger trug, von ihrer Schule das Tragen des christlichen Symbols untersagt worden. Die Berliner Senatsbildungsverwaltung will noch vor den Sommerferien Mitte Juli eine Orientierungshilfe veröffentlichen, wie künftig mit religiösen Symbolen im Schuldienst umgegangen werden soll.