Der Kriminologe Christian Pfeiffer hat die evangelische Kirche aufgefordert, die Judenfeindlichkeit des Reformators Martin Luther (1483-1546) gründlich aufzuarbeiten. Die Kirche habe es vor vier Jahren zum 75. Jahrestag der NS-Pogromnacht von 1938 versäumt, selbstkritisch Rückschau zu halten, schreibt Pfeiffer in einem Beitrag für die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" (Samstag). Evangelische Theologen hätten sich bis zur NS-Zeit immer wieder zustimmend mit Luthers judenfeindlichen Äußerungen auseinandergesetzt. Luthers Forderungen hätten bereits vorweggenommen, was knapp 400 Jahre später von den Nazis in der Pogromnacht verwirklicht worden sei.
Zwar habe die Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, vor einigen Jahren gefordert, auch die "Schattenseiten" der Reformation zu benennen. "Den großen Wurf hat es trotzdem nicht gegeben", kritisierte Pfeiffer. Weder sei eine Historiker-Kommission einberufen worden, noch habe es ein sorgfältig vorbereitetes und gründlich dokumentiertes Symposium gegeben. Respekt verdienten allerdings die zahlreichen Veranstaltungen auf lokaler und regionaler Ebene, bei denen Luthers Judenhass zum Thema gemacht worden sei.
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Anlässlich des 500. Reformationsjubiläums sei es angebracht, auch auf Luthers judenfeindliche Äußerungen aus dem Jahr 1543 zu schauen, betonte Pfeiffer. Der cholerische Reformator sei im Alter von 60 Jahren von der Sorge getrieben gewesen, dass sein Lebenswerk noch scheitern könne. Er habe die Juden als "Feinde Christi" attackiert, weil sie seinem Werben um Bekehrung nicht entsprochen hätten.
In der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden in ganz Deutschland Synagogen niedergebrannt und jüdische Häuser zerstört. Rund 30.000 Juden wurden in Konzentrationslager der Nationalsozialisten gebracht.