Mit Blick auf die Debatte zwischen der evangelischen Kirche und akademischen Theologen über das Reformationsjubiläum sagte Lauster, beide Seiten hätten recht. "Die Kirchenleitung hat recht, weil es ein unverzeihlicher Fehler wäre, das Reformationsjubiläum ungenutzt verstreichen zu lassen", erläuterte der Theologe. Aber auch die Kollegen hätten recht, wenn sie mit der Art und Weise, wie Luther glorifiziert werde, unzufrieden seien: "Man hätte sich wünschen können, dass man stärker das kritische Potenzial der Reformation betont und die Lutherverehrung niedriger hängt. Luther war ein Mensch des 16. Jahrhunderts und lebte in einer Zeit, die mit der unseren sehr wenig gemeinsam hat."
Man könne an der Reformation sehen, dass es im Christentum immer wieder sich selbst erneuernde, selbstkorrigierende Kräfte gebe, fügte Lauster hinzu. Die Kirche sei im 15. Jahrhundert in einem desolaten Zustand gewesen. Die Missstände seien durch die Reformation zum Besseren gewendet worden. Die Reformation habe außerdem eine unglaubliche Aufwertung des Individuums mit sich gebracht, sagte Lauster. "Dafür ist Luther zu loben und zu preisen. Die Frage ist nur, wie man mit diesem Erbe heute umgeht." Es nur immer und immer zu wiederholen, reiche nicht aus: "Die akademische Theologie sagt ja mit Recht: Je genauer wir uns Luther anschauen, je mehr wir von ihm wissen, desto weiter rückt er weg von uns."
In die Kontroverse über das Reformationsjubiläum hatten sich in den vergangenen Monaten mehrere Theologen eingeschaltet. Mehrere Wissenschaftler warfen der Kirche vor, Martin Luther und seine Lehre zu verwässern, damit sie massentauglicher feiern könne. Thies Gundlach, theologischer Vizepräsident des Kirchenamts der Evangelischen Kirche in Deutschland, attestierte Wissenschaftlern in der Zeitschrift "zeitzeichen" hingegen eine "grummelige Meckerstimmung".
Die evangelische Kirche feiert bis Oktober dieses Jahres 500 Jahre Reformation. 1517 hatte Martin Luther (1483-1546) seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht, die er der Überlieferung nach am 31. Oktober an die Tür der Wittenberger Schlosskirche nagelte. Der Thesenanschlag gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte.