Frau Bischöfin Bosse-Huber, am 4. April 1992 wurde Maria Jepsen zur weltweit ersten lutherischen Bischöfin gewählt. Wie sieht es nach 25 Jahren um die Gleichberechtigung von Frauen in den Kirchen aus?
Petra Bosse-Huber: Die Wahl von Maria Jepsen war für mich 1992 als junge Gemeindepfarrerin in Wuppertal schon ein starkes Hoffnungsfanal: Die letzte Männerdomäne der evangelischen Kirche war mit dieser Bischöfin gefallen. "Endlich, geht doch!" habe ich gedacht.
Wie sieht es heute aus?
Bosse-Huber: Ich hätte damals nicht für möglich gehalten, wie schleppend wir in Sachen kirchlicher Gleichberechtigung noch ein Vierteljahrhundert später unterwegs sein würden: In den zwanzig Gliedkirchen der EKD gibt es heute gerade einmal drei leitende Geistliche: Kirsten Fehrs in der Nordkirche, Ilse Junkermann in Mitteldeutschland und Annette Kurschus in Westfalen. An der Spitze sind das dramatisch zu wenige Frauen, gerade einmal 15 Prozent. Viel zu wenig, gerade wenn man bedenkt, wie gerne und selbstbewusst wir Evangelischen uns doch mit der Ordination von Frauen und Männern als besonderer Errungenschaft und großem Schatz des Protestantismus gegenüber katholischen oder orthodoxen Zeitgenossen schmücken.
Manchmal schlägt dann die Überraschung auch spontan in laute Begeisterung um.
Stoßen Sie als Theologin und Bischöfin im Ausland, etwa in orthodoxen Kirchen, auf Vorbehalte oder sogar Ablehnung?
Bosse-Huber: Häufiger als Ablehnung begegnet mir etwa in Afrika oder Asien das fassungslose Staunen darüber, dass es tatsächlich echte Frauen im Bischofsamt gibt. Normale Frauen, verheiratet und mit drei erwachsenen Kindern. Manchmal schlägt dann die Überraschung auch spontan in laute Begeisterung um: Ich erinnere mich an ein großes Frauentreffen in Nairobi, wo die afrikanischen Frauen plötzlich anfingen zu trommeln, zu tanzen und laut lachend und kichernd Gott für das Wunder dankten, dass in seiner Kirche Frauen sogar Bischöfinnen werden können. Es war großartig heiter und gleichzeitig fast beschämend für mich, wie sehr diese Frauen in ihrer männerdominierten religiösen Kultur die Begegnung zu schätzen wussten. Solche Erfahrungen mache ich immer wieder.
Gibt es auch negative Erfahrungen?
Bosse-Huber: Natürlich erlebe ich auch Ablehnung, oft eine Mischung aus Aggression und Unsicherheit, gerade von Männern. Je geschlossener kirchliche Männerwelten funktionieren, desto größer ist natürlich die Störung, wenn ich sehr selbstverständlich als Bischöfin auftauche und selbstbewusst als offizielle Repräsentantin der EKD agiere. Das wird von manchen Männern, aber auch von Frauen, als Provokation erlebt. Aber um hier nicht irgendwelche billigen Klischees zu bedienen: Auch mit vielen orthodoxen oder orientalischen Männern unterhalte ich hervorragende und enge Arbeitskontakte in der Ökumene.
Ich persönlich halte den typisch "männlichen" oder "weiblichen" Führungsstil weitgehend für ein Gerücht.
Was meinen Sie, wird der größere Einfluss von Frauen die Kirche verändern?
Bosse-Huber: Frauen haben die Kirche durch alle Jahrhunderte getragen und geprägt. In den letzten Jahren zunehmend auch beruflich, als Pastorin, Superintendentin oder Dekanin und einige wenige als Bischöfinnen. Das hat unsere Kirche, aber auch die Ökumene, lebendiger, zeitgemäßer und offener werden lassen, Gott sei Dank.
Haben Frauen einen anderen Führungsstil?
Bosse-Huber: Wenn "weiblicher Führungsstil" besondere ganzheitliche, kommunikative oder soziale Fähigkeiten meint, dann haben das zweifelsfrei viele weibliche Führungskräfte in Kirche und Diakonie drauf. Das gilt für die Profis ebenso wie für die hoch professionellen Ehrenamtlichen in vielen unserer kirchlichen Leitungsämter. Aber ich persönlich halte den typisch "männlichen" oder "weiblichen" Führungsstil weitgehend für ein Gerücht. Was wir heute brauchen ist gute und teamorientierte Leitungsqualität von Menschen beiderlei Geschlecht. Deshalb freue ich mich über jede Frau, die ihren Hut ganz oben in den Leitungsring wirft.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Bosse-Huber: Die evangelische Kirche braucht noch viel mehr kluge Analytikerinnen, entschlusskräftige Visionärinnen und biblisch geerdete Zukunftsdenkerinnen, eben starke Frauen - gerade für die erste Reihe. Nur so machen wir mit dem Erbe der Reformation, 500 Jahre später, wirklich ernst.