Damit seien auch diejenigen angesprochen, die sich an der Hasspropaganda in den sozialen Netzwerken beteiligten, sagte Bouffier am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche. Die "Woche der Brüderlichkeit" wird seit 1952 vom Deutschen Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR) mit Sitz in Bad Nauheim organisiert und steht in diesem Jahr unter dem Motto "Nun gehe hin und lerne".
"Der Aufruf zum Kampf gegen den Antisemitismus gilt auch für jene, die sich zu Verteidigern des christlichen Abendlandes aufschwingen und dabei übersehen, dass der jüdische Glaube Teil unserer kulturellen Tradition ist", sagte Bouffier. Er gelte auch für jene, die sogar aus den Parlamenten heraus die Erinnerungskultur diffamieren wollten, sagte er mit Bezug auf eine Rede des Vorsitzenden der thüringischen AfD-Landtagsfraktion, Björn Höcke. "Nicht die Art des Erinnerns ist eine Schande, sondern es nicht zu tun", sagte Bouffier.
Abkehr von einem "schuldbeladenen Irrweg"
Der hessische Ministerpräsident begrüßte den christlich-jüdischen Dialog. Er verhindere, "dass sich jeder in sein religiöses Schneckenhaus zurückzieht und dass die Gesellschaft in immer mehr unverbundene Teile zerfällt", sagte Bouffier. "Es ist zu wünschen, dass sich auch die Muslime noch konsequenter auf den Weg des Dialogs einlassen." In der "Woche der Brüderlichkeit" vom 5. bis 12. März sind bundesweit rund 750 Veranstaltungen geplant.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, kündigte an, dass die EKD gemeinsam mit ihren Gliedkirchen eine Stiftungsprofessur zur Erforschung und Förderung des christlich-jüdischen Dialogs für die Dauer von zehn Jahren einrichten wolle. Die Professur sei ein Zeichen der evangelischen Kirche für die Abkehr von einem "schuldbeladenen Irrweg" im Umgang mit dem Judentum und ein "Angebot, den Weg des Dialogs und der Verbundenheit mit dem Judentum gemeinsam weiter zu gehen".
Derzeit befinde sich der christlich-jüdische Dialog in einem Umbruch, sagte Bedford-Strohm. Antisemitische Vorurteile kehrten zurück, und die Anliegen des Dialogs müssten an eine nachwachsende Generation vermittelt werden.
Der DKR zeichnete die "Konferenz Landeskirchlicher Arbeitskreise Christen und Juden" mit der Buber-Rosenzweig-Medaille 2017 aus. Seit dem Holocaust hätten viele Kirchen eine neue Haltung zum Judentum eingenommen, sagte der evangelische Präsident des DKR, Friedhelm Pieper. Die Kirchen hätten gelernt, dass sie das Judentum nicht enterbt hätten, sondern dass sie nur neben dem Judentum existierten. Dieser noch unabgeschlossene Lernprozess sei in Deutschland auf evangelischer Seite von Mitgliedern der 1978 gegründeten Konferenz vorangetrieben worden.
Die Konferenz habe entschlossen die kirchliche Judenfeindschaft aufgearbeitet und entscheidend zur Neuorientierung der Protestanten im Verhältnis zu den Juden beigetragen. Der DKR vergibt die undotierte Auszeichnung seit 1968 zum Auftakt der "Woche der Brüderlichkeit". Im vergangenen Jahr wurde der jüdische Publizist und Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik geehrt. Die Medaille erinnert an die jüdischen Philosophen Martin Buber (1878-1965) und Franz Rosenzweig (1886-1929).