Für eine "Teilkaskoversicherung" in der Pflege tritt der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege ein. Die Solidargemeinschaft müsse stärker als bisher die Pflegekosten tragen, forderte der Verbandsvorsitzende Bernhard Schneider am Dienstag in Berlin. Ähnlich wie bei der Kfz-Versicherung sollten die Pflegenden einen festen Betrag als Selbstbeteiligung zahlen, die übrigen Leistungen sollte die Pflegeversicherung übernehmen, sagte Schneider. Das könnte unabhängig davon geschehen, ob die Pflegebedürftigen in einem Wohnheim, einer Senioren-WG oder zu Hause wohnen. Bislang zahlt die Pflegeversicherung feste Sätze, das Pflegerisiko liege also vor allem bei den Betroffenen.
Dem Deutschen Evangelischen Verband für Altenarbeit und Pflege (Devap) zufolge sind aktuell rund 450.000 Pflegebedürftige auf Sozialhilfe angewiesen. "Und die Zahlen werden noch zunehmen", sagte Verbandschef Schneider. Viele Menschen könnten sich Heimplätze mit einem privaten Anteil von über 2.000 Euro nicht leisten, ein Drittel der Heimbewohner beanspruche Sozialhilfe. "Die Pflege steckt in der Armutsfalle", kritisierte er und verlangte: Die Solidargemeinschaft müsse die Pflegekosten stärker finanzieren.
"Wir werden es nicht schaffen, alle aus der Sozialhilfe herauszuholen"
Der Devap schlägt deshalb eine Art Modulsystem vor. Die Leistungsmodule könnten individuell je nach Pflegebedürftigkeit angepasst werden, Angehörige könnten einzelne Module übernehmen, auch für Heimbewohner. Die Pflegebedürftigen selbst kämen weiterhin für Miete und Verpflegung auf, hinzu käme der gesetzliche Eigenanteil.
Nach dem seit 1. Januar 2017 geltenden neuen Pflegestärkungsgesetz kostet die reine Pflegeleistung in Grad 3 laut Devap rund 2.100 Euro. Die Pflegekasse zahlt davon knapp 1.260 Euro, die pflegebedürftige Person trägt rund 840 Euro. Mit Miete und Verpflegung kommen Betroffene so schnell auf 2.200 Euro im Monat. Im Devap-Modell liegt der feste Eigenanteil monatlich bei 300 Euro, die Pflegekasse müsste 1.800 Euro finanzieren. Dadurch kämen die Gesamtkosten einer Heimunterbringung für die Betroffenen auf rund 1.600 Euro - statt der heutigen 2.200 Euro.
"Wir werden es nicht schaffen, alle aus der Sozialhilfe herauszuholen", räumte Schneider ein. Auch der Pflegeexperte des Bundesverbandes der Diakonie, Peter Bartmann, betonte: "Wir dürfen nicht suggerieren, dass die Pflegeversicherung ein Rundum-Sorglos-Paket werden könnte." Beide sind aber überzeugt, dass durch den Paradigmenwechsel deutlich weniger Pflegebedürftige auf Sozialhilfe angewiesen sein werden.
Laut Schneider könnten die Mehrkosten für die Pflegeversicherung durch höhere Beiträge von 0,5 bis 1,5 Prozentpunkten finanziert werden. Schneider hält dies für vertretbar. "Rente und Krankenversicherung sind die Kostentreiber, nicht die Pflegeversicherung", sagte er. Zudem strebt der Verband die Aufhebung der Grenzen zwischen stationärer und ambulanter Pflege an; dies würde Ausgaben senken. Außerdem sollten ehrenamtliche Tätigkeiten oder Hilfen aus der Nachbarschaft in das System hereingerechnet werden.
In einer Studie lässt der Devap seine Idee derzeit auf Umsetzung überprüfen. Danach will er das Konzept noch vor der Bundestagswahl in die politische Diskussion einbringen. Erste Gespräche seien ermutigend gewesen. "Wir sind allerdings realistisch genug zu wissen, das wir das eine oder andere Jahr für die Diskussion brauchen", sagte Schneider. Die Studie will der Verband am 18. Mai in Berlin vorstellen.