Nach einer diesmal weitgehend friedlichen Silvesternacht in Köln steht die Polizei der Dommetropole dennoch wieder in Kritik. Weil sie vor allem Männer mit vermutetem nordafrikanischem Hintergrund kontrollierte und teilweise festhielt, wurden ihr am Montag rassistische Methoden unterstellt. Es stelle sich die Frage nach der Verhältnis- und Rechtmäßigkeit, sagte Grünen-Chefin Simone Peter der "Rheinischen Post" (Montag). Amnesty-International-Experte Alexander Bosch forderte eine Untersuchung. Es handele sich "um einen eindeutigen Fall von Racial Profiling". Führende Politiker von CDU, SPD und auch den Grünen wiesen diesen Vorwurf dagegen zurück und dankten der Polizei für deren Arbeit.
Mit einem Beitrag im Kurznachrichtendienst Twitter hatte die Kölner Polizei die Debatte um Racial Profiling selbst ausgelöst. Darin war von "Nafris" die Rede, einer Abkürzung für Nordafrikaner. Der Gebrauch von herabwürdigenden Gruppenbezeichnungen wie diesem durch staatliche Organe sei völlig inakzeptabel, sagte Peter. Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies bedauerte, dass das polizeiinterne Kürzel öffentlich verwendet wurde. Es sei nicht diskriminierend gemeint, sagte er am Montag bei einer Pressekonferenz in Köln.
Die Formulierung ließ den Verdacht aufkommen, dass die Männer nur wegen ihres Aussehens festgehalten wurden. Nach deutschem Recht wäre das unzulässig, betonte am Montag ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Kontrollen, die nur an die äußere Erscheinung von Personen anknüpften, ohne dass "weitere verdichtende polizeiliche Erkenntnisse" dazukämen, seien rechtswidrig und würden von der Bundespolizei auch nicht praktiziert, sagte er.
Polizeipräsident: Vorgehen "mit Augenmaß"
Der Sprecher bestätigte aber auch Berichte, wonach in Zügen "hochaggressive" Gruppen festgestellt worden sind, die dann offenbar in Köln kontrolliert und festgehalten wurden. Das sei ein "polizeirechtlich hinreichendes Kriterium", um Gefahren abzuwenden, sagte der Sprecher. Wegen der sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht 2015 gab es in diesem Jahr ein Großaufgebot an Beamten.
Polizeipräsident Mathies betonte, die Polizisten seien "mit Augenmaß" vorgegangen. Bei den Personenkontrollen rund um Dom und Hauptbahnhof sowie in Zügen sei es nicht um das Aussehen der Menschen gegangen, sondern um ein bestimmtes Verhalten. Bereits ab 19 Uhr seien am Hauptbahnhof Gruppen junger Männer aus Nordafrika alkoholisiert und aggressiv aufgefallen.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International unterstellt dennoch voreingenommene Kontrollen. "Hunderte Menschen sind allein aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermuteten nordafrikanischen Herkunft eingekesselt und kontrolliert worden", sagte Experte Bosch. Das wichtigste Entscheidungskriterium der Polizisten sei das Merkmal der angenommenen Herkunft gewesen. Racial Profiling sei eine Menschenrechtsverletzung.
Viele Politiker nahmen die Polizei gegen diese Vorwürfe in Schutz. "Es ist kaum zu fassen und unerträglich, dass die Grünen jetzt dieses vorsorgliche und erfolgreiche Vorgehen der Kölner Polizei als rassistisch kritisieren", sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber mit Blick auf die Äußerungen von Peter den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag).
Auch Parteifreunde Peters distanzierten sich von deren Äußerungen. Klar sei, "dass die Polizei umsichtig gehandelt hat, wenn sie schnell und konsequent verabredete Gruppen an erneuten Gewaltausbrüchen gehindert hat", sagte die Vorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, den "Ruhr Nachrichten" (Dienstag). Die Innenexpertin der Fraktion, Irene Mihalic, sagte der "Welt" (Onlineausgabe), sie teile die pauschale Kritik Peters nicht. In erster Linie sei der Polizei Dank auszusprechen, sagte Mihalic, die selbst Polizistin war.
SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte den Funke-Zeitungen (Dienstag), es sei "eine absurde und geradezu verrückte Debatte". "Die Polizei hat mit ihrem Profil 'Nafris/Nordafrikaner' nicht anderes getan, als die Realität zu beschreiben", sagte er. Zudem forderte der Vizekanzler, den Druck auf die nordafrikanischen Länder zu erhöhen, abgelehnte Asylbewerber von dort wieder aufzunehmen.