Grünen-Parteichefin Simone Peter stellt die Rechtmäßigkeit des Polizei-Einsatzes in der Kölner Silvesternacht infrage. Es stelle sich die Frage nach der Verhältnis- und Rechtmäßigkeit, wenn knapp 1.000 Menschen alleine aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festgesetzt wurden, sagte sie. Polizeipräsident Jürgen Mathies wies den Vorwurf des Rassismus zurück.
Peter sagte der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Montag), völlig inakzeptabel sei der Gebrauch von herabwürdigenden Gruppenbezeichnungen wie "Nafris" für Nordafrikaner durch staatliche Organe wie die Polizei. Der Kölner Polizeipräsident Mathies sagte am Montag dem Radiosender WDR2, den Begriff finde er sehr unglücklich gewählt. "Das bedaure ich außerordentlich", fügt er hinzu. Er müsse das dem "Eifer des Gefechts" zuschreiben und könne die Wortwahl nicht mehr zurücknehmen.
Die Kölner Polizei hatte in der Silvesternacht im Kurznachrichtendienst Twitter über den Einsatz informiert. Dabei verwendete sie mehrfach den Begriff "Nafris".
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Rund 1.000 junge Männer vornehmlich aus dem nordafrikanischen Raum waren an der Anreise zum Dom gehindert worden. Der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies sagte, das konsequente Einschreiten sei nötig und angebracht gewesen, um Straftaten zu verhindern. Die gezielte Überprüfung der jungen Männer begründete Mathies im WDR unter anderem mit den Erfahrungen von vor einem Jahr. Die Polizei war mit einem Großaufgebot von mehr als 1.700 Beamten im Einsatz, um massenhafte Übergriffe auf Frauen wie ein Jahr zuvor zu unterbinden.
Der migrationspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, äußerte sich zurückhaltend. "Bevor ich nicht von jeder Seite ihre Version des Vorgangs kenne, will ich mich nicht über das Verhalten der Kölner Polizei äußern", sagte er der "Rheinischen Post". "Ich bin grundsätzlich allerdings der Meinung, dass sogenanntes 'racial profiling' - also ein polizeiliches Vorgehen allein aufgrund der tatsächlichen oder vermeintlichen ethnischen Zugehörigkeit, Religion und nationalen Herkunft von Menschen - keine legitime Vorgehensweise der Polizei wäre", sagte der Kölner Grünen-Politiker.
Polizeiliche Maßnahmen müssten durch Gefahrenlagen oder das Verhalten einer Person begründet sein, nicht in ihrer Identität, sagte Beck. Alles andere würde gegen die Antirassismus-Konvention der Vereinten Nationen verstoßen.
Polizeigewerkschaft: Einsatz war "sachgerecht"
Kritik an den Äußerungen der Parteivorsitzenden Peter kam am Montag vor allem aus der Union. "Es ist kaum zu fassen und unerträglich, dass die Grünen jetzt dieses vorsorgliche und erfolgreiche Vorgehen der Kölner Polizei als rassistisch kritisieren", sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag). Dies entlarve "grüne Multikulti-Schönfärberei". Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Ansgar Heveling (CDU), sagte dem RBB-Radio, die Polizei sei vollkommen verhältnismäßig vorgegangen.
Die Integrationsbeauftragte der Unionsbundestagsfraktion, Cemile Giousouf (CDU), sagte, eine Wiederholung der Vorfälle aus dem Jahr 2015 zu verhindern, habe oberste Priorität gehabt. Auch die Vorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, wies die Kritik ihrer Parteikollegen zurück: Klar sei, "dass die Polizei umsichtig gehandelt hat, wenn sie schnell und konsequent verabredete Gruppen an erneuten Gewaltausbrüchen gehindert hat".
Die Überprüfung der Identität von Menschen nordafrikanischer Herkunft sei eine notwendige polizeiliche Maßnahme gewesen, um nach den Erfahrungen aus dem Vorjahr einen ruhigen Verlauf der diesjährigen Silvesternacht sicherzustellen, erklärte der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Arnold Plickert. Der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Erich Rettinghaus, erklärte, die Polizei sei "sachgerecht" eingeschritten. Er verteidigte auch die Verwendung des Begriffs "Nafri". Abkürzungen gehörten zur polizeilichen Praxis und seien nicht diskriminierend zu verstehen.
Kritische Polizisten loben Polizeieinsatz
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten wertet den Großeinsatz der Polizei in der Kölner Silvesternacht als gelungen. Nach dem misslungenen Einsatz ein Jahr zuvor habe nun diese große Zahl an Beamten eingesetzt werden müssen, sagte Bundessprecher Thomas Wüppesahl am Montag in Geesthacht dem Evangelischen Pressedienst (epd). Kritik an der Verwendung des Kürzels "Nafri" für Nordafrikaner im Nachrichtendienst Twitter wies Wüppesahl zurück. Die von der Kölner Polizei verwendete Bezeichnung sei nicht abwertend gegenüber Menschen aus Nordafrika gemeint, sondern sei ein behördentypisches Kürzel.
Wüppesahl verteidigte zudem die gezielten Kontrolle junger Männer mit nordafrikanischem Aussehen am Kölner Hauptbahnhof. Aufgrund der Einsatzlage mit den Geschehnissen ein Jahr zuvor und der zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse sei ein solches Vorgehen der Polizei unbedingt erforderlich gewesen, betonte er: "Das ist nicht diskriminierend, sondern sachlich notwendig." Unerträglich sei vielmehr die Kritik an einem Polizeieinsatz, der im Gegensatz zu dem Einsatz vor einem Jahr nun erfolgreich verlaufen sei, betonte er.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizistinnen und Polizisten ist ein Berufsverband, der sich für die Wahrung von Menschen- und Bürgerrechten einsetzt.
Was ist "racial profiling"?
Unter "racial profiling" bezeichnet man eine Personenkontrolle der Polizei, die nur aufgrund äußerer Erscheinungsmerkmale wie etwa der Hautfarbe ausgelöst wird. Das Vorgehen wird bei Überprüfungen auf Bahnhöfen, in Flughäfen und Bussen sowie bei Rasterfahndungen angewendet.
Absatz 1a des Paragrafen 22 des Bundespolizeigesetzes regelt verdachtsunabhängige Personenkontrollen. Darin heißt es: "Zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet kann die Bundespolizei in Zügen und auf dem Gebiet der Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes, soweit auf Grund von Lageerkenntnissen oder grenzpolizeilicher Erfahrung anzunehmen ist, dass diese zur unerlaubten Einreise genutzt werden, sowie in einer dem Luftverkehr dienenden Anlage oder Einrichtung eines Verkehrsflughafens mit grenzüberschreitendem Verkehr jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, dass mitgeführte Ausweispapiere oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen."
Amnesty International kritisiert "racial profiling" als diskriminierend. Es verstoße gegen das Grundgesetz. Deshalb fordert die Menschenrechtsorganisation, Teile des Paragrafen 22 im Bundespolizeigesetz abzuschaffen. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hatte 2012 erklärt, dass es verfassungswidrig sei, wenn die Hautfarbe als ausschlaggebendes Kriterium für eine Ausweiskontrolle herangezogen werde. Laut Gericht verstößt das Vorgehen gegen das Diskriminierungsverbot im Grundgesetz.
"Kontrolle nur nach Äußerlichkeiten ist rechtwidrig"
Das Bundesinnenministerium hat mit Blick auf den Polizeieinsatz an Silvester in Köln diskriminierende Fahndungsmethoden grundsätzlich verurteilt. Kontrollen, die nur an die äußere Erscheinung von Personen anknüpften, ohne dass "weitere verdichtende polizeiliche Erkenntnisse" dazukämen, seien rechtswidrig und würden von der Bundespolizei auch nicht praktiziert, sagte Ministeriumssprecher Johannes Dimroth am Montag in Berlin.
Er bestätigte aber auch Berichte, wonach in Zügen "hochaggressive" Gruppen festgestellt worden sind, die dann offenbar in Köln kontrolliert und festgehalten wurden. Das sei ein "polizeirechtlich hinreichendes Kriterium", um Gefahren abzuwenden, sagte der Sprecher. Er betonte, die Verantwortung für den Polizeieinsatz in Köln habe bei der Landespolizei gelegen. Der Einsatz der Bundespolizei unter anderem am Hauptbahnhof werde überprüft.