In der evangelischen Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in unmittelbarer Nähe des Anschlagortes liegt seit dem Vormittag ein Kondolenzbuch aus. Für 18 Uhr ist ein ökumenischer Trauer- und Fürbittgottesdienst mit interreligiösen Gästen in der Kirche geplant. Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge, hält in dem Gottesdienst eine Ansprache. Außerdem wirken mit: der katholische Berliner Erzbischof Heiner Koch, der Vorsitzende des Ökumenischen Rats Berlin-Brandenburg, Archimandrit Emmanuel Sfiatkos, EKD-Synodenpräses Irmgard Schwaetzer, die Berliner Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein, der Rabbiner Andreas Nachama, der Imam Kadir Sanci vom Bet- und Lehrhaus House of One, Imam Ferid Heider und Pfarrer Martin Germer von der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirchengemeinde. Der Gottesdienst wird in der ARD und im Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) live übertragen.
"Wir werden uns nicht von der Unmenschlichkeit unterkriegen lassen"
Bischof Dröge sagte im ZDF-"Morgenmagazin": "Wir sind hier in Berlin alle sehr erschüttert." Nun brauchten die Angehörigen der Opfer "unser Mitgefühl - sie müssen spüren, dass sie nicht alleine sind". Der Bischof erinnerte daran, dass der schreckliche Anschlag in der unmittelbaren Weihnachtszeit stattgefunden habe. Wichtig sei jetzt, Zusammenhalt zu zeigen mit den verschiedenen Religionen. Die Gedächtniskirche sei ein Zeichen für Versöhnung. Dröge sagte weiter: "Wir werden jetzt versuchen, diese Botschaft der Menschlichkeit stark zu machen."
Der Bischof zeigte sich sehr dankbar für die besonnenen Reaktionen der Sicherheits- und Einsatzkräfte, aber auch der Politik. Er erwarte diese Besonnenheit von jedem, der Verantwortung trage. Er appellierte zugleich an diejenigen, die mit Parolen Kapital aus den Vorgängen schlagen wollten, Respekt für die Trauernden zu zeigen. "Wir werden uns nicht von der Unmenschlichkeit unterkriegen lassen", sagte Dröge.
Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, zeigt sich schockiert über den mutmaßlichen Terroranschlag. "Mit vielen Menschen in Deutschland und weltweit bin ich im Gebet für die Opfer einer fürchterlichen Gewalttat vereint", teilte Landesbischof Bedford-Strohm am Dienstag in Hannover mit. "Wir alle sind entsetzt über diese brutale und sinnlose Gewalt. So viele unschuldige Menschen sind ihr zum Opfer gefallen. Ich kann mir vorstellen, welche Abgründe sich jetzt für die Familien der Opfer auftun, die ihre Liebsten durch diese feige Gewalttat verloren haben."
Auch der Hannoversche evangelische Landesbischof Ralf Meister äußerte sich "zutiefst betroffen über den furchtbaren menschenverachtenden Anschlag in Berlin". Seine Gedanken seien bei den Verletzten und ihren Familien, aber "ebenso bei den Rettungs- und Polizeikräften und allen, die diesen Anschlag unmittelbar erleben mussten". Es sei für ihn "unfassbar", zu welchen Taten Menschen fähig seien. "Die weihnachtliche Botschaft 'Fürchte dich nicht' droht angesichts von so viel Gewalt unsere Herzen nicht mehr zu erreichen", sagte Meister. "Und doch können uns nur das Gebet und das Innehalten vor Rache und bösem Denken bewahren. Ich glaube fest daran, dass sich dem, der sich an die Weihnachtskrippe stellt, die Waffe aus der Hand genommen wird."
Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Volker Jung, bezeichnete die Geschehnisse in Berlin als "furchtbar und erschreckend". Jetzt sei es wichtig, "der Trauer und Ratlosigkeit Raum und Zeit zu geben". Die Schweigeminute und Andachten könnten dazu beitragen. Zudem sei es jetzt wichtig, "gemeinsam um Kraft für die Angehörigen und für alle, die den Verletzten beistehen" zu bitten.
Der kurhessische Bischof Martin Hein sagte, man werde nun das Weihnachtsfest in dem Bewusstsein begehen müssen, wie friedlos diese Welt inzwischen geworden sei. Dennoch gelte: "Wir lassen uns das Weihnachtsfest nicht von einem irregeleiteten Attentäter nehmen." Um mit solch schrecklichen Ereignissen besser umgehen zu können, sei es aus christlicher Sicht hilfreich, sich zu besinnen und danach zu fragen, was dem Leben Sinn und Halt gebe. "Wir müssen unsere Not in Worte fassen können, und das geht am allerbesten im Gottesdienst, im Gebet", sagte Bischof Hein.
Evangelische und Katholische Kirchen in Hessen und Rheinland-Pfalz haben dazu aufgerufen, sich an bundesweiten Schweigeminuten auf den Weihnachtsmärkten für Dienstagabend um 18:00 Uhr zu beteiligen. Dort sollen für drei Minuten die Lichter erlöschen. Zudem regten sie unter dem Titel "Beten für Berlin" Gemeinden an, um 18:00 Uhr ihre Kirchen für Andachten zu öffnen. Bisher beteiligen sich an der Aktion die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck, die Evangelische Kirche der Pfalz sowie das Bistum Limburg. Die Idee ging von der Schaustellerseelsorge aus.
"Der Gewalt mit Frieden und Gerechtigkeit kraftvoll entgegentreten"
Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski äußerte sich in seinem Blog "fassungslos vor dieser Gewalt, vor dieser Menschenverachtung und vor dieser Brutalität". Er stellte der Gewalt der vergangenen Nacht die Botschaft Jesu Christi entgegen, dessen Geburt die Christinnen und Christen am bevorstehenden Weihnachtsfest feiern: "Jesus hat Frieden gepredigt, Gewaltlosigkeit gelebt und Liebe zu den Menschen gebracht." In ihrem Online-Angebot trauernetz.de hat die Evangelische Kirche im Rheinland eine Gedenkseite für die Opfer des Anschlags in Berlin eingerichtet. Hier können Menschen einen Eintrag hinterlassen und ihr Beileid online ausdrücken.
Der Anschlag in Berlin habe viele Menschen verunsichert und in Trauer gestürzt, sagte der badische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh. "Ohnmächtig müssen wir das mit ansehen und fragen uns: 'Warum tut ein Mensch das? An einem Ort, an dem Menschen zusammenkommen, um miteinander froh zu sein?" Im Advent rufe Gott zur Umkehr, ergänzte Cornelius-Bundschuh. "Alle, die ihre Überzeugung mit Gewalt durchsetzen, überheben sich. Wer aus Machtinteressen, aus religiösem oder politischem Eifer unschuldige Menschen ermordet, verstößt gegen Gottes Gebot. Dagegen ruft Gott zur Umkehr von diesen falschen, bösen Wegen." Im Kind in der Krippe schenke Gott den Menschen besondere Achtung, so der Bischof. "Christus führt uns zusammen und macht unsere Herzen leichter. Wir werden frei und mutig, respektvoll mit anderen umzugehen." Sein Gebet laute deshalb: "Geh mit uns den Weg durch die Trauer und weise uns Wege, der unfassbaren Gewalt mit Frieden und Gerechtigkeit kraftvoll entgegenzutreten."
Jan Janssen, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg, Jan Janssen, sagte, er sei gewiss, dass das ganze Oldenburger Land mit den Menschen in Berlin trauere. "Im Gebet und Gedenken sind wir bei allen, die leiden und die zu helfen versuchen. Der Glaube an 'das Gute im Menschen' wankt, der Glaube an Gott wird von Verzweiflung erschüttert – und doch ist gerade jetzt Beharrlichkeit gefragt, auf die Gemeinschaft im Miteinander der Menschen zu setzen." Jede friedliche Begegnung werde dann "zum Zeichen, dass Weihnachten in diese Welt einziehen will", sagte Janssen.
Der Bischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Braunschweig, Christoph Meyns, sagte, jetzt sei die Stunde, Trauer und Schmerz mit den Opfern und ihren Familien zu teilen. Gleichzeitig mahnte der Landesbischof zu Besonnenheit und einer differenzierten Sicht der Ereignisse. Es habe sich um die menschenverachtende Tat eines Einzelnen gehandelt. Diese rechtfertige keine pauschale Verurteilung von Flüchtlingen. Meyns erinnerte an die Botschaft von Weihnachten. Sie ermutige Christen, für Frieden und Versöhnung einzustehen und nicht Rache und Vergeltung das Wort zu reden. Der Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt müsse unterbrochen werden: "Gott will nicht den Tod, sondern das Leben."
Papst Franziskus zeigte sich tief betroffen von der schrecklichen Gewalttat, hieß es Vatikanangaben zufolge am Dienstag in einem Beileidstelegramm von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin im Namen des Papstes an den Berliner Erzbischof Heiner Koch. Franziskus nehme Anteil an der Trauer der Hinterbliebenen. Er bekunde allen Betroffenen sein Mitgefühl und seine Nähe, betonte Parolin. Papst Franziskus sei mit allen Menschen verbunden, die dafür arbeiteten, "dass der mörderische Wahnsinn des Terrorismus keinen Platz in unserer Welt hat", hieß es in dem Beileidstelegramm. In diesem Sinne bitte er um Trost, Schutz und heilenden Segen.
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, äußerte sich ebenfalls tief erschüttert. "Die Gewalt auf dem Weihnachtsmarkt ist das Gegenteil dessen, was die Besucher wollten. Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen der Toten und Verletzten. Für alle werde ich beten. In dieser schweren Stunde für die Stadt Berlin und unser Land gilt es, dass wir als Gesellschaft zusammenstehen und zusammenhalten."
Berlins katholischer Erzbischof Heiner Koch sieht in dem mutmaßlichen Terroranschlag am Berliner Breitscheidplatz auch einen Angriff auf das christliche Weihnachtsfest. Natürlich sei auch das Weihnachtsfest als Fest des Friedens und der Mitmenschlichkeit besonders getroffen, sagte Koch am Dienstag auf domradio.de: "Hier wird ja wirklich auch eine Botschaft und eine Kultur mitgetroffen." Für Dienstagmittag lädt das Erzbistum zu einem stillen Gedenkgottesdienst in die St. Hedwigs-Kathedrale ein. Koch betonte, "es ist nicht die Zeit der großen Worte und der schönen Parolen". "Wir werden mit den Angehörigen und mit allen anderen manches nur aushalten - da, wo man nichts mehr sagen kann."
Der Erzbischof rief die Menschen dazu auf, alles daranzusetzen, dass die Lage nicht in Wut und Ungerechtigkeit umschlage. "Und zur gleichen Zeit darf es auch nicht bagatellisiert werden." Er gehe davon aus, dass die große Mehrheit sich nicht beirren lassen und den "Weg dennoch in Frieden und Freiheit" weitergehen werde. "Aber es ist natürlich ein anderes Weihnachtsfest jetzt - eines, das getrübt ist, geprägt von der Gebrechlichkeit des Friedens und der Menschlichkeit. Was für Weihnachten gilt, gilt jetzt auch für Berlin - es ist Nacht", sagte Koch.
Anteilnahme auch von Juden und Muslimen
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat sich ebenfalls erschüttert über den mutmaßlichen Anschlag geäußert. "Ausgerechnet in der Vorweihnachtszeit, in der sich unsere Gesellschaft auf Werte wie Nächstenliebe, Güte und Frieden besinnt, wurde unser Land durch diesen abscheulichen Angriff erneut ins Mark getroffen", erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster am Dienstag. "Unsere Gedanken sind bei den Opfern, ihren Angehörigen und Freunden. Den Verletzten wünschen wir rasche Genesung" erklärte Schuster weiter. "Unser Denken und Handeln darf dennoch nicht von Terror und Angst vereinnahmt werden." Am 24. Dezember beginne das Weihnachtsfest und das jüdische Lichterfest Chanukka. "Mögen die Botschaften dieser beiden Feste uns Kraft spenden in diesen schweren Stunden", sagte der Zentralratspräsident.
Auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland hat den Angehörigen der Opfer seine Solidarität versichert. "Unser tief empfundenes Mitgefühl und unser Beileid gilt allen, die ihre Liebsten bei dieser Schreckenstat verloren haben", erklärte der Vorsitzende Aiman Mazyek am Dienstag in Berlin. Die Tat erinnere an die Attentate von Brüssel, Paris und Istanbul, "was uns Muslime zutiefst betroffen macht". Mazyek: "Den Mörder dieser entsetzlichen Tat müsse die volle Härte unserer Gesetze treffen." In den nächsten Tagen würden in den Gottesdiensten vieler Moscheen die Opfer, Verletzten und deren Angehörigen in die Gebete mit aufgenommen werden. "Wir rufen zu gemeinsamen Mahnwachen mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften auf", erklärte Mazyek. "Wir beten für Deutschland und Berlin."
Der Koordinationsrat der Muslime hat den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz ebenfalls scharf verurteilt. "Terror hat wieder einmal sein schreckliches Gesicht gezeigt. Er macht keinen Halt vor unschuldigen Menschen und vor dem, was den Menschen heilig ist", erklärte der Sprecher des Koordinationsrates, Erol Pürlü, am Dienstag. In einer für Christen sehr bedeutenden und besinnlichen Zeit sei Trauer und Leid in die Familien gekommen. "Wir sind mit unseren Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen", sagte Pürlü. Der Koordinationsrat der Muslime wurde im März 2007 von den vier großen Religionsgemeinschaften Ditib, dem Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ), Islamrat und dem Zentralrat der Muslime (ZMD) gegründet.