In der indonesischen Hauptstadt Jakarta haben am Sonntag Zehntausende Menschen für Einheit und Toleranz demonstriert. Die Kundgebung richtete sich gegen die wachsenden politischen und religiösen Spannungen im Land, wie die "Jakarta Post" berichtete. Die Demonstranten hielten Schilder und Transparente hoch mit Aufschriften wie "Wir sind Indonesien" und "Einheit in der Vielfalt". Zu der Demonstration hatten mehrere politische Parteien aufgerufen, die als Verbündete des christlichen Gouverneurs von Jakarta, Basuki "Ahok" Tjahaja Purnama, gelten.
Zum zweiten Mal innerhalb eines Monates war es am vergangenen Freitag zu einer Massenkundgebung gegen den Gouverneur gekommen, der angeblich den Koran beleidigt hat. Dazu hatten muslimische Hardliner aufgerufen. Die rund 200.000 Demonstranten warfen Ahok Blasphemie vor und forderten dessen Rücktritt und Verhaftung. Kurz zuvor hatte Indonesiens Staatsanwaltschaft erklärt, dass sie genug in der Hand habe, um Ahok vor Gericht zu bringen. Blasphemie gilt in Indonesien als Straftat, bei einem Schuldspruch drohen bis zu fünf Jahre Haft.
Anlass für die Entrüstung der radikalen Muslime war eine Rede Ahoks Ende September, in der er die 51. Sure des Korans erwähnte, die es Muslimen angeblich verbietet, Nicht-Muslime zu wählen. Die Wähler bräuchten sich nicht unbehaglich zu fühlen, falls sie nicht für ihn stimmten, sagte der Gouverneur. Ihre Angst, in die Hölle zu kommen, sei unbegründet, die Wähler würden getäuscht. Später entschuldigte er sich mehrfach für die Aussage.
Ahok gehört in zweierlei Hinsicht einer Minderheit in Indonesien: Er ist nicht nur Christ, sondern auch chinesischer Abstammung. Das Amt des Gouverneurs von Jakarta hatte er im Spätherbst 2014 übernommen, nachdem sein Vorgänger Joko Widodo zum Präsidenten gewählt worden war. Kommt es zum Verfahren gegen Ahok, wäre seine Kandidatur für die Gouverneurswahlen im Februar hinfällig.
Indonesien ist die größte muslimische Nation der Welt. Gut 88 Prozent der 250 Millionen Einwohner sind Muslime, etwa neun Prozent sind Christen. Der Inselstaat gilt traditionell als Heimat eines toleranten Islams, erlebt aber seit Jahren eine Zunahme fundamentalistischer Strömungen. Menschenrechtler beklagen eine wachsende religiöse Intoleranz.