Caritas-Leiter: Im Südsudan findet eine Art Völkermord statt

Caritas-Leiter: Im Südsudan findet eine Art Völkermord statt
Die Gewalt und die Schutzlosigkeit der Bevölkerung im Südsudan haben Helfern zufolge unfassbare Ausmaße erreicht.

"Was dort geschieht ist eine Art Völkermord am eigenen Volk", sagte der Leiter von Caritas international, Oliver Müller, am Donnerstag in der südsudanesischen Hauptstadt Juba telefonisch dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Und es gibt kaum jemanden, der glaubt, dass sich die Lage bessern wird." Niemand in dem Land könne oder wolle die Menschen von den Übergriffen mehrerer Rebellenorganisationen und der Armee schützen, die gegeneinander kämpften.

"Der internationalen Gemeinschaft gelingt es nicht annähernd, den Bedarf der Bevölkerung an Hilfe abzudecken", sagte Müller, der sich auf einer einwöchigen Reise in dem Land befindet. In dem bitterarmen Land, das erst 2011 unabhängig wurde, herrscht seit Ende 2013 ein blutiger Bürgerkrieg. Nach UN-Angaben wurden Zehntausende Menschen getötet, von den rund acht Millionen Südsudanesen sind etwa drei Millionen auf der Flucht. Auch der UN-Mission mit rund 13.000 Blauhelmen gelingt es nicht, die Menschen zu schützen.



Etwa fünf Millionen Menschen im Land sind auf Nothilfe angewiesen. Die Bevölkerung kann wegen der Gewalt ihre Felder kaum bestellen. Zudem hat eine Dürre zu weiteren Einbußen von etwa der Hälfte der Ernte geführt. Gleichzeitig leben laut Müller etwa 85 Prozent der Südsudanesen von dem, was sie selbst anbauen. Hilfstransporte vor allem außerhalb der Hauptstadt seien wegen der schlechten Sicherheitslage sehr teuer. "Auf der Strecke zwischen Juba und Malakal im Norden des Landes liegen 54 Checkpoints von Rebellen und Soldaten, die die Hand aufhalten."

Aber auch innerhalb der Hauptstadt sei die Gewalt allgegenwärtig und die Versorgung prekär. "In den zwei großen Flüchtlingslagern sind die Menschen zwar geschützt und haben auf einem niedrigen Niveau genug zu essen", sagte Müller. "Aber es gibt kaum Gesundheitsversorgung." Eines der beiden Lager sei so eng, dass Plane an Plane stehe. "Dort ist das Infektionsrisiko sehr hoch und häusliche Gewalt stark verbreitet."

Im ganzen Land seien Gewalt gegen Frauen und eine komplette Straflosigkeit an der Tagesordnung. "In vielen Dörfern leben die Frauen mit den Kindern alleine, weil die Männer entweder Soldaten oder Rebellen oder tot sind", sagte Müller. Diese Menschen seien den Bewaffneten ausgeliefert, Vergewaltigungen seien alltäglich. "Die Soldaten müssen überhaupt keine Sanktionen oder Strafen befürchten, und die Opfer haben niemanden, an den sie sich wenden können."

Mit der nun einsetzenden Trockenzeit werde die Gewalt voraussichtlich schlimmer werden, erläuterte Müller. Die Straßen trockneten und würden wieder passierbar, und die Rebellen und Soldaten könnten sich besser bewegen. "Die Lage der Menschen ist in jeder Hinsicht desaströs."