Die Salafistengruppe "Die wahre Religion" gilt als Sammelbecken von Dschihadisten - jetzt hat das Bundesinnenministerium die islamistische Vereinigung verboten. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte am Dienstag in Berlin, die Organisation habe Hassbotschaften verbreitet und Jugendliche für den Kampf terroristischer Gruppen in Syrien und im Irak rekrutiert. Bekannt ist die Gruppe durch ihre umstrittenen Koran-Verteilaktionen auch unter dem Namen "Stiftung Lies".
Um das Verbot und die Auflösung des Vereins durchzusetzen, wurden nach de Maizières Angaben seit dem frühen Dienstagmorgen 190 Objekte in zehn Bundesländern durchsucht und Material beschlagnahmt. Betroffen waren rund 60 Orte in Hessen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Hamburg und Bremen. Die Organisation hat den Angaben zufolge einige hundert Mitglieder. Über Festnahmen und Ermittlungen gegen einzelne Personen wurde zunächst nichts bekannt.
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Das Bundesinnenministerium bezeichnete die Vereinigung als "größtes deutsches Sammelbecken dschihadistischer Islamisten". Bereits 140 junge Menschen, die in Kontakt mit dem Netzwerk standen, seien in den Irak und nach Syrien ausgereist, um sich dort dem Kampf terroristische Gruppen anzuschließen. Das Netzwerk wende sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung, die Religion sei dabei nur ein Vorwand. Dafür sei in Deutschland kein Platz.
Nach dem Verbot des "Kalifatstaates" 2001 ist es den Angaben zufolge das zweitgrößte Verbotsverfahren des Bundesinnenministeriums. Die Ermittlungen wurden bereits 2012 vom damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) eingeleitet.
De Maiziére betonte, das Verbot richte sich nicht gegen die Werbung für den islamischen Glauben oder bestimmte Koranübersetzungen. In diesem Fall sei der Eingriff in die Religionsfreiheit aber berechtigt, da der Islam nur als Vorwand von der Vereinigung benutzt werde. In Wahrheit gehe es um eine extremistische Ideologie: Die Organisation habe in Veranstaltungen und Videos zum Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung in Deutschland aufgerufen.
Es gehe bei der Organisation eben nicht darum, den Koran zu verteilen, sagte auch Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD). "Dahinter stecken fanatische Extremisten, die gezielt radikalisieren und rekrutieren wollen", sagte er. Nach Jägers Angaben hatte jeder fünfte Salafist, der aus seinem Bundesland in Gebiete der Terrormiliz "Islamischer Staat" ausgereist ist, Kontakte zur "Stiftung Lies".Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) erklärte: "Wir dulden in unseren Fußgängerzonen keine Fanatiker, die versuchen, junge Menschen zu radikalisieren und in den Dschihad zu schicken." Wer Hassbotschaften verbreite, könne sich nicht auf die Religionsfreiheit berufen." Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) unsterstrich, es dürfe nicht zugelassen werden, wenn Extremisten "den friedlichen Glauben des Islam missbrauchen, um Gewalt und Hass zu schüren".
Skeptisch zum Vorgehen der Behörden äußerte sich indes die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD). In der Vergangenheit sei bei vielen Razzien nichts herausgekommen, sagte sie dem Sender Phoenix. Das hinterlasse dann "Spuren", auch bei jungen Menschen: "Da werden natürlich schnell auch Verschwörungstheorien wach, was man eigentlich als Staat mit diesen Menschen macht." Bei der Verfolgung von Islamisten müsse man mit "sehr großem Augenmaß" vorgehen, damit es nicht heiße, es werde willkürlich in Moscheen eingedrungen.
Salafisten predigen einen Islam, der sich eng am Wortlaut des Koran und den Überlieferungen aus dem Leben des Propheten (Sunna) orientiert und den historischen Kontext außer Acht lässt. Der Salafismus ist geprägt von starker Intoleranz gegenüber anderen Religionen und Islam-Auslegungen. Anhänger der Glaubensrichtung sind überzeugt, dass nur sie den Islam so leben, wie Gott ihn vorgeschrieben hat. Daher zählen sie auch alle nicht-salafistischen Muslime zu den Ungläubigen.