"Das exponierte Dasein im Pfarrberuf mit seinen emotionalen Belastungen zum Beispiel ist ein großer Risikofaktor", sagte Stängle dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es gehe dabei um stoffgebundene Abhängigkeiten, aber auch um süchtiges Verhalten, das destruktiv wirke.
"Ein krankhafter Workaholic hat sehr ähnliche seelische Probleme wie ein Alkoholkranker", erläuterte Stängle. Er leitet das Haus Respiratio auf dem unterfränkischen Schwanberg bei Kitzingen, ein Rückzugsort für erschöpfte kirchliche Mitarbeiter. Hinweise darauf, dass es unter Pfarrerinnen und Pfarrern überdurchschnittlich viele Alkoholkranke gibt, hätten mehrere Studien geliefert, sagte Stängle. In der von ihm geleiteten Einrichtung indes würden keine Menschen mit einer stoffgebundenen Sucht aufgenommen: "Wenn es in der Anamnese vor der Therapie bei uns einen Hinweis darauf gibt, müssen wir ablehnen." Alkohol- oder Drogensucht könne man nicht behandeln.
Ob vorhandene Beratungsstellen für die kirchlichen Berufsgruppen das Richtige und ausreichend seien, das könne er nicht bewerten: "Aber ganz sicher ist, dass sich die Kirche als Arbeitgeber nicht alleine auf solche Stellen verlassen darf."
Oft gebe es schon lange vor einer manifesten Sucht Hinweise auf problematisches Trinken: "Wer morgens eine Kanne Kaffee braucht, um in Schwung zu kommen, und sich abends mit Alkohol 'herunterfährt', der trinkt nicht mehr aus Genuss. Da ist man noch nicht im roten Bereich, aber im orangenen." Dann seien der Arbeitgeber Kirche, die Gemeindeleitungen, das soziale Umfeld gefragt, mögliche Probleme rechtzeitig anzusprechen.
Stängle, der selbst lange in den USA gelebt und gearbeitet hat, findet den US-amerikanischen Umgang mit dem Thema Sucht zwar "aggressiv" und deshalb etwas problematisch, grundsätzlich aber gelungen. "Wenn dort ein Arbeitnehmer auffällig wird, gibt es dafür ein Mitarbeiter-Team, das ihn direkt im Betrieb, an seinem Schreibtisch darauf anspricht. Und im Zweifel wird er aufgefordert, seine Schubladen oder seinen Spind zu öffnen, ob er dort Alkohol bunkert", sagte er. Das könne man in der Kirche "nicht eins zu eins übernehmen", aber es müsse sich etwas tun, betonte er: "Auch wenn es nur Einzelfälle sein mögen - jeder ist einer zu viel."