Ein Auftritt des Vorsitzenden des Zentralrates der Muslime, Aiman Mazyek, beim "Geistlichen Abend" in einer evangelischen Kirche im bayerischen Altdorf ist am Montagabend ohne Störungen verlaufen. Dass der Altdorfer Dekan Jörg Breu Mazyek eingeladen hatte, am Reformationstag in der Laurentiuskirche zu sprechen, hatte zuvor für viel Wirbel gesorgt.
Rechtspopulisten hatten für Montagabend eine Versammlung unter dem Titel "Keine Islamschweinerei in Altdorf" angemeldet. Das evangelische Dekanat, das die Einladung an Mazyek ausgesprochen hatte, hatte zuvor mehrere islamfeindliche Hetzbriefe bekommen. Zwar mühten sich auf dem Altdorfer Marktplatz "Pegida"-Sprecher vor etwa 20 Zuhörern, vor der Gefahr des Islams zu warnen. Doch vor der Kirche demonstrierten weit mehr Menschen für das Miteinander der Religionen. Zu einer Gegendemonstration des "Altdorfer Bündnisses für Toleranz und Respekt" zur Unterstützung Mazyeks kamen rund 400 Teilnehmer.
Die Zuhörer applaudierten Mazyek stehend
Bündnis-Sprecher Sepp Feder sagte bei der Demo, Altdorf sei schon immer bunt gewesen. Evangelische und katholische Christen lebten mit Muslimen friedlich miteinander. Man unterstütze die Initiative, die Dekan Jürgen Breu angestoßen habe. Dem Bündnis gehören unter anderem die evangelische und katholische Kirchengemeinde sowie der türkisch-islamische Kulturverein und die Parteien im Stadtrat an.
Der Nürnberger Regionalbischof Stefan Ark Nitsche sagte, er habe sich über die Initiative des Altdorfer Dekanats, Mazyek einzuladen, gefreut. "Echter Dialog ist das Einzige, was uns voranbringt", sagt er. "Wenn wir als Kirche nicht den Raum für einen solchen Dialog geben, haben wir unseren Auftrag verfehlt." Der Reformationstag erinnere daran, "dass wir Dingen auf den Grund gehen müssen und uns nicht mit eingefahrenen Lösungen zufrieden geben", betonte Nitsche bei der Kundgebung gegen Islamfeindlichkeit. Die Polizei, die mit großem Aufgebot vertreten war, fasste den Reformationstag 2016 in Altdorf so zusammen: "Die Versammlungen liefen ohne Störungen."
Mazyek sprach in der vollbesetzten Kirche über die Demokratie, die stets aufs Neue erkämpft und verteidigt werden müsse gegen Rassismus, religiösen Extremismus und politischen Fundamentalismus. Nach seiner Rede applaudierten ihm die Zuhörer stehend. Mazyek unterstrich, dass Religionen und das Wissen um sie "uns nicht einengen, sondern bereichern".
Mazyek forderte die politischen Parteien zur Auseinandersetzung mit Rechtsextremen auf. Strukturelle und alltägliche Diskriminierung gegenüber Muslimen sei bereits jetzt Realität. "Wir sind Deutsche, deutsche Muslime und dies nicht nur auf Bewährung", unterstrich der Zentralratsvorsitzende. Die Schnittmenge zwischen Islam und der deutschen Wertegemeinschaft sei viel größer als im ersten Augenblick ersichtlich. Um dies zu erkennen, müssten beiden Seiten bereit sein, auf Vorurteile und Stereotype zu verzichten.
Natürlich gebe es "so etwas wie eine deutsche Leitkultur", sagte Mazyek. Im Manuskript heißt es weiter: "Ich denke dabei an die Werte des Grundgesetzes, an unser Land der Dichter und Denker." Mazyek denke auch an die jüdischen Dichter Heinrich Heine und Kurt Tucholsky und den muslimischen Friedenspreisträger Navid Kermani, an "Made in Germany" und das deutsche Wirtschaftswunder. "Dies alles gehört für mich zur Leitkultur. Und von mir aus auch Halal-Würstchen und Oktoberfest", betonte Mazyek.