Entwicklungsorganisationen fordern von der Bundesregierung mehr Unterstützung für die ärmsten Länder Afrikas. Südlich der Sahara halte sich der Hunger hartnäckig seit mehr als 20 Jahren, sagte Till Wahnbaeck, Vorstandsvorsitzender der Welthungerhilfe, am Mittwoch in Berlin. Dort liege die Mehrzahl der Länder, die arm und fragil sind. Dazu zählen unter anderem der Sudan und der Südsudan, die Demokratische Republik Kongo, die Zentralafrikanische Republik, Mali, Liberia sowie Burundi.
Stärkung der Grundbildung gefordert
Der Anstieg der deutschen Entwicklungshilfe im vergangenen Jahr spiegele nicht eine stärkere Unterstützung für die am wenigsten entwickelten Länder wider, sondern Ausgaben für die Betreuung von Flüchtlingen in Deutschland, betonte Wahnbaeck bei der Vorstellung des 24. Berichtes über "Die Wirklichkeit der Entwicklungspolitik". Hilfreich wäre deshalb "eine saubere Trennung" zwischen Entwicklungshilfe und Integrationskosten. Am Mittwoch steht im Rahmen der Haushaltsberatungen im Bundestag für 2017 der Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit zur Debatte.
Seit 2010 sei der Anteil der deutschen Entwicklungshilfe für die bedürftigsten Länder von 28 auf 23 Prozent gesunken, kritisierte Wahnbaeck. Unter den Top Ten der Empfängerländer deutscher Entwicklungshilfe befanden sich den Angaben zufolge 2014 nur zwei aus der Gruppe der am wenigstens entwickelten Länder, davon keines aus Afrika südlich der Sahara. "Deutschland darf die ärmsten Staaten nicht vergessen und muss seine Hilfe aufstocken", sagte Wahnbaeck.
Albert Recknagel, Vorstandssprecher von terre des hommes, forderte zur Bekämpfung von Krisen und Fluchtursachen eine Stärkung nicht-militärischer Maßnahmen: "Dazu zählen der Aufbau funktionierender Rechtssysteme, aber auch die besondere Förderung der Grundbildung für Jugendliche, die ihnen Berufsperspektiven in ihrer Heimat eröffnet." Nur etwa zehn Prozent der Gesamtausgaben der Bundesregierung für den Bereich Bildungsförderung flossen den Angaben zufolge in den vergangenen Jahren in die Grundbildung. Dabei erinnerte Recknagel daran, dass der Altersdurchschnitt in den Ländern südlich der Sahara bei etwa 18 Jahren liegt, im Gegensatz zu Deutschland mit etwas über 46 Jahren.
Plädoyer für "Nachhaltigskeits-TÜV"
Die Bundesregierung habe das erste Jahr seit der Unterzeichnung der internationalen Agenda 2030 mit ihren neuen nachhaltigen Entwicklungszielen nur halbherzig genutzt, hieß es weiter. Insbesondere die besonders armen Gruppen sollten stärker in den Blickpunkt der deutschen Entwicklungspolitik gerückt werden. Dazu zählten etwa die Opfer von Krisen und Konflikten sowie Kinder und Jugendliche in ländlichen Regionen.
In ihren "Empfehlungen im Jahr eins der Agenda 2030" begrüßen die beiden Organisationen unter anderem die Sonderinitiative "Eine Welt ohne Hunger", für die im laufenden Haushalt 220 Millionen Euro zur Verfügung stehen und für 2017 eine Aufstockung angestrebt wird. Zugleich mahnen sie aber mehr Transparenz bei der Vergabe dieser Mittel an. Weiter sprechen sich Welthungerhilfe und terre des hommes für einen "Nachhaltigskeits-TÜV" aus. Es müsse systematisch geprüft werden, wo Agrar-, Entwicklungs-, Handels- und Steuerpolitik zuwiderlaufen und Entwicklungsländern schaden.