Eine landesweite Prozession in der Ukraine hat für Unstimmigkeiten zwischen zwei konkurrierenden orthodoxen Kirchen gesorgt. Eingeladen zu dem mehrere hundert Kilometer langen Marsch hat das Moskauer Patriarchat der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche. Die Prozession sei ein Aufruf zum Frieden, sagte Wassili Anisimow vom Moskauer Patriarchat. Erzbischof Jewstratij Sorja vom Kiewer Patriarchat hingegen sagte, die Prozession sei kein Gebet für
Frieden, sondern ein "Marsch der russischen Welt" und des Anti-Maidan.
Tausende Pilger sind seit drei Wochen in zwei Prozessionen unterwegs, sie starteten im Osten am Kloster Swjatogorsk und im Westen am Himmelfahrtskloster Potschajiw. Am Mittwoch wollen sie sich in der Hauptstadt Kiew treffen und den Marsch mit einer großen Liturgie im rund 1.000 Jahre alten Höhlenkloster abschließen.
Sicherheitskräfte und die organisierende Kirche rechnen nach Angaben des ukrainischen Innenministers Arsen Awakow mit rund 20.000 Pilgern in Kiew.
Ukraine: orthodoxe Kirche gespalten
Die orthodoxe Kirche in der Ukraine ist gespalten. Das Moskauer Patriarchat vertritt etwa jeden fünften Gläubigen in der Ukraine und ist damit die größte Kirche des Landes. Innerhalb der Russisch-Orthodoxen Kirche ist es autonom. In der Ukraine steht es in Konkurrenz zum Kiewer Patriarchat, das 13 Prozent der Gläubigen vereint. Es gründete sich 1992 nach der Unabhängigkeit, wird jedoch von anderen orthodoxen Kirchen in der Welt nicht anerkannt. Hinzu kommt eine dritte Kirche, die Ukrainische autokephale orthodoxe Kirche, die ebenfalls nicht anerkannt ist.
Erzbischof Sorja vom Kiewer Patriarchat sagte, er befürchte, dass unter dem Deckmantel einer religiösen Prozession in der Hauptstadt bezahlte Schläger und russische Agenten einfielen. Nationalistische Demonstranten der Organisation "Rechter Sektor" bezeichneten das Moskauer Patriarchat auf Protestplakaten am Rande der Prozessionen als "Fünfte Kolonne des Kreml" und versuchten mehrfach, die Strecken zu blockieren. Mitlaufende Polizisten schützten die Pilger.
Der ukrainische Parlamentspräsident Andrij Parubij vermutet hinter den Friedensmärschen russische Behörden, die Unruhen in Kiew und eine politische Krise im Land auslösen wollten. Der Rat der bei Kiew gelegenen Kleinstadt Borispil verbot die Prozession zur Vermeidung von "interkonfessionellen Konflikten" - die Prozession musste einen
Umweg gehen.
Der Verwaltungsleiter der Kiewer Metropolie des Moskauer Patriachtas, Archimandrit Viktor Kotsaba, betonte dagegen, die Märsche hätten keinen "politischen Unterton". Die pilgernden Christen wollten keine politischen Parolen verkünden. "Zweck unseres Marsches ist es, für den Frieden in der Ukraine zu beten und unsere heiligen
Stätten zu verehren", sagte er.
Anlass der Prozession sei auch der Feiertag zur Taufe der Rus am 28. Juli, sagte Kotsaba. Der Kiewer Großfürst Wladimir ließ sich im Jahr 988 nach byzantinischem Ritus taufen und erklärte das Christentum zur Staatsreligion. Das Kiewer Patriarchat will nun zu diesem Tag einen eigenen Marsch veranstalten und damit für Frieden,
die Anerkennung als kanonische Kirche und den "Sieg der Ukraine" beten.