Noch hätten alle öffentlichen Initiativen das Ziel, "Skepsis und Zurückhaltung zu überwinden. Dabei hat jede und jeder das Recht, sich für oder gegen eine Organspende zu entscheiden", sagte sie im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Pfaller ist Mitautorin einer neuen Studie, in der das Institut für Soziologie in Erlangen und das Institut für Ethik und Geschichte der Medizin der Universitätsmedizin Göttingen zusammengearbeitet haben.
Die Studie "Ich möchte lieber nicht. Das Unbehagen mit der Organspende und die Praxis der Kritik" geht der Frage nach, ob und wie ein Nein zur Organspende geäußert werden kann, wenn im öffentlichen Diskurs ausschließlich positive Argumente gebracht werden. Dazu führten die Wissenschaftler Interviews und Gruppengespräche mit Personen, die der Organspende zurückhaltend bis explizit kritisch gegenüberstehen. Zudem wurden Posterkampagnen der vergangenen 20 Jahre analysiert und einige der Motive den Befragten zur Bewertung vorgelegt.
Entscheidung leicht und einfach?
Dabei zeigte sich laut Pfaller, dass die Posterkampagnen "auffallend einseitig" sind. "Organspende wird als sozial erwünschtes Verhalten dargestellt", resümierte die Soziologin. Sie benannte den Zielkonflikt in der Aufklärungsarbeit: Zum einen solle neutral informiert, zum anderen die Spendebereitschaft erhöht werden. "Unsere Studie zeigt, dass die Bevölkerung sehr sensibel auf den Versuch reagiert, mit subtilen Mitteln in der eigenen Entscheidung beeinflusst zu werden."
Zudem kritisierte Pfaller, dass alle untersuchten Kampagnen suggerierten, dass eine Entscheidung zur Organspende leicht und einfach zu treffen sei. "Bedenken, Ambivalenz oder ein klares Nein werden hingegen nicht adressiert." So komme es, dass die Betrachter sich "nicht in erster Linie gut informiert, sondern manipuliert und moralisch unter Druck gesetzt fühlen".
Teilweise würden durch die Postermotive auch falsche Assoziationen geweckt. Slogans wie "Du bekommst alles von mir, ich auch von Dir?" suggerierten ein personalisiertes Vergabeverfahren, das zudem auch noch diejenigen bevorzugt, die selbst bereit sind, ein Organ zu spenden. Das sei definitiv falsch, erklärte die Expertin.
Die Soziologin betonte, dass es den Deutschen nicht am Spendewillen fehle. Etwa 70 Prozent seien bereit, Organe zu spenden. Aber: "Die Zahl der tatsächlichen Organspenden kann nicht lediglich aus dem Spendewillen der Bevölkerung abgeleitet werden." Denn die allerwenigsten Personen würden je in die Lage kommen, wirklich Spender zu werden. "Entscheidend dafür ist der Hirntod. Tatsächlich ist dieser Zustand aber äußerst selten. Insgesamt wird dieser nur rund 4.000 Mal im Jahr festgestellt. Und nicht jeder Hirntote ist auch geeignet, Organe zu spenden. Vor diesem Hintergrund sind die 877 Fälle, in denen 2015 eine Organspende realisiert werden konnte, doch gar nicht so wenig."