Die syrisch-orthodoxe Gemeinde in Kirchardt bei Heilbronn hat mit ihrem Vorhaben, in ihrer Kirche in einem Industriegebiet Priestergräber einzurichten, Unterstützung vom Bundesverfassungsgericht bekommen. Die Ablehnung solcher Gräber durch den baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof verletze die Grundrechte der Gemeinde, heißt es in einem am Freitag in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss. Das Verfahren wurde an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Für die Syrisch-Orthodoxen gehört das Grab ihres Hauspriesters "in Hörweite zum Altar" zu den verbindlichen Glaubensregeln. Der amtierende Priester geht samstags an die Begräbnisstätte seines Vorgängers, um dort den Sonntagsgottesdienst vorzubereiten. Das will die Gemeinde in Kirchardt auch ihrem Geistlichen ermöglichen. Seit 1994 hat sie dort eine Kirche, 2005 beantragte sie die Einrichtung einer Krypta mit Platz für insgesamt zehn solcher Gräber.
Doch damit bissen die orthodoxen Christen bei Behörden und Gerichten bislang auf Granit. Für ein pietätvolle Bestattung biete das Industriegebiet mit einem Produktionsbetrieb für Holzkisten, einer Gießerei und einem Betonwerk nicht das richtige Umfeld, hieß es. Außerdem verfüge bislang keine einzige syrisch-orthodoxe Gemeinde in Deutschland über eine Krypta. Der Industrie- und Handelskammertag warnte, dass es im Alltagsbetrieb sowie bei künftigen Erweiterungen von Unternehmen zu Konflikten wegen der Priestergräber kommen könnte.
Die Bundesverfassungsrichter zeigten sich von diesen Einwänden nicht überzeugt. Ob ein solcher Begräbnisort tatsächlich unabdingbarer Bestandteil einer Religion sei, könne nicht von einem staatlichen Gericht beurteilt werden. Dass ein Pfarrer mit seiner ganzen Persönlichkeit auch über den Tod hinaus an seine Gemeinde gebunden sein solle, gehöre nach den Texten der syrisch-orthodoxen Kirche zu ihren Grundlagen. Deshalb erscheine es zweifelhaft, dass ein Priestergrab in einem Industriegebiet den Verstorbenen herabwürdige.
Dem Verwaltungsgerichtshof wirft das oberste Gericht vor, nicht auf Sachverständige zurückgegriffen zu haben. So habe es nicht geklärt, in welchem Ausmaß Lärm von den benachbarten Betrieben ausgehe und wann dort überhaupt gearbeitet werde. Das sei aber erforderlich, "um die Qualität des Störpotenzials tragfähig beurteilen zu können".
Mit den Interessen der umliegenden Firmen könnte nach Ansicht der Richter gegebenenfalls ein "schonender Ausgleich" gefunden werden. Der Lärm lasse sich etwa durch Schallschutzmaßnahmen in der Kirche eindämmen. Außerdem könnte der Gemeinde eine "Duldungslast" für die Belästigung durch die benachbarten Wirtschaftsbetriebe auferlegt werden. Mit diesen Fragen muss sich der Verwaltungsgerichtshof nun erneut beschäftigen.