Die Spitzen der beiden großen Kirchen in Deutschland haben an Pfingsten für eine einladende und offene Gesellschaft geworben. Der christliche Glaube sei untrennbar mit dem Einsatz für die Fremden und Schwachen verbunden, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, in seiner Pfingstpredigt am Sonntag in der Münchner St. Matthäuskirche. Er forderte zudem ein gesellschaftliches Klima, in dem das Zuhören wieder mehr in den Vordergrund tritt.
Kardinal Reinhard Marx rief die Christen an Pfingsten dazu auf, mit Offenheit auf Mitglieder anderer Religionen zuzugehen. Christen könnten das Evangelium nicht "hinter verschlossenen Türen und in einer feindlichen Abgrenzung zu anderen Religionen" leben, sagte Marx laut Pressemitteilung am Sonntag im Münchner Dom.
Die gegenwärtigen Debatten seien jedoch häufig von der Tendenz geprägt, neue Mauern aufzubauen, erklärte der Münchner Erzbischof Marx. Es entstehe der Eindruck, dass es zurzeit viele Ängste gebe, die durch Pauschalisierungen und undifferenzierte Äußerungen befördert würden. Das gelte auch im Blick auf die "sehr vielschichtige Wirklichkeit des Islam in unserem Lande".
Kardinal Marx und der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm bezeichneten das Pfingstfest als "Wunder der Kommunikation". Dieses Wunder habe Türen geöffnet und Mauern zwischen Menschen verschiedener Kultur und Religion niedergerissen, so Marx. Pfingsten solle die Menschen aber auch zu einer besseren Kommunikation untereinander anregen, betonte Bedford-Strohm. Dabei gehe es nicht darum, ob man mit der AfD als Partei rede oder nicht, sondern um das gesellschaftliche Klima als Ganzes.
Insbesondere in den sozialen Netzwerken entstehe zuweilen der Eindruck, dass hier keine echte Kommunikation mehr stattfindet, fügte Bedford-Strohm hinzu. Kommunikation werde hier oft überlagert vom Abladen der eigenen Befindlichkeiten, dem Herauslassen der eigenen Frustrationen und der Suche nach Selbstbestätigung. Dadurch seien die Merkmale echter Kommunikation, nämlich wechselseitiger Respekt und die Bereitschaft, etwas lernen zu wollen, in den Hintergrund getreten.
Jung: Wege der legalen Einwanderung schaffen
Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung hat zum Pfingstfest eine gemeinsame europäische Flüchtlingspolitik angemahnt. Jeder Schutzsuchende habe einen Rechtsanspruch auf ein faires Aufnahmeverfahren, sagte Jung am Sonntag im Hessischen Rundfunk. Darüber hinaus müssten aber auch Wege der legalen Einwanderung geschaffen werden. Leider sei das Gegenteil der Fall. Statt gemeinsam zu handeln, schotteten sich viele europäische Staaten ab und ließen zum Beispiel Griechenland mit der Versorgung der Flüchtlinge allein.
Kritik übte der Kirchenpräsident in dem "Pfingstgespräch" des HR auch an der Politik der rechtspopulistischen AfD, die die Ängste der Menschen vor Zuwanderung vor allem von Muslimen aufnehme und verstärke. Gleichwohl warnte er vor einer Ausgrenzung und Stigmatisierung der Partei. "Wir müssen die AfD ins Gespräch ziehen und sie mit ihrem Programm und ihrer Handlungsweise konfrontieren", sagte Jung.
Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, wünscht sich zum 500. Reformationsjubiläum im kommenden Jahr ein sichtbares Zeichen der Ökumene. Ein "kraftvolles Zeichen versöhnter Verschiedenheit ist im Jahr 2017 an der Zeit", sagte Huber am Pfingstsonntag in der Klosterkirche Maulbronn (Baden-Württemberg): "Viele Christen warten darauf, ja sie ersehnen es. Keine 95 Thesen, fünf würden reichen. Und eine große Geste dazu: wir Christen gehören zusammen."
Was feiern wir Pfingsten eigentlich? Unser Volontär Valentin erklärt's:
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Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat in einem internationalen Pfingstgottesdienst zu einer weltweiten sozialen und wirtschaftlichen Neuausrichtung aufgerufen. Bisher sei die Geschichte der Menschheit durch unbegrenztes Wachstum, Ansammlung von Macht und Anhäufung von Reichtum in einigen Ländern zu Lasten anderer geprägt worden, sagte er am Pfingstsonntag im evangelischen Stephansstift in Hannover. Die Feier in englischer und deutscher Sprache stand unter dem Thema "Reformation und die Eine Welt". Sie bildete den Abschluss einer knapp einwöchigen Konferenz mit Vertretern aus zehn Partnerkirchen aus Afrika, Asien, Südamerika und Europa.
Auch der hannoversche Landesbischof Ralf Meister warnte in seiner Predigt vor neuen nationalen Abschottungen. "Mit Sorge sehe ich eine politische Strömung, die sich auf das christliche Abendland beruft und es dazu nutzen will, Menschen in Not die Aufnahme zu verweigern", sagte er. Die biblische Erzählung vom Pfingstwunder, in der alle Sprachbarrieren durch den Heiligen Geist überwunden wurden, sei "ein befreiender Gegenentwurf zu dem, was wir heute erleben". In der Pfingstgeschichte gehe es um das Gemeinsame jenseits von Herkunft und Religion, betonte Meister. "Darin ist das Pfingstfest revolutionär: vereinte Verschiedenheit ohne Feindschaft und ohne Gewalt."