Vor der Verleihung des Karlspreises an Papst Franziskus haben Kirchenvertreter den Zustand der Europäischen Union beklagt. Der scheidende Mainzer Bischof Karl Lehmann kritisierte "Kleinmut und Ängstlichkeit". Die Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, verlangte mehr Solidarität innerhalb der EU.
Mitgliedschaft in der EU bedeute auch, für Menschen in Not da zu sein, sagte die Theologin am Freitag im Deutschlandfunk. Das Sterben der Flüchtlinge sei nicht hinzunehmen. Insbesondere kritisierte sie die zögerliche Aufnahme von Flüchtlingen in osteuropäischen Staaten.
EU habe sich veilleicht "doch zu stark auf Wirtschaft und Handel" konzentriert
Kardinal Lehmann indes äußerte in der "Süddeutschen Zeitung" (Freitagsausgabe) Verständnis. "Ich glaube, mit Ländern wie Polen, Ungarn, auch Tschechien muss man Geduld haben", sagte Lehmann, der am 16. Mai 80 Jahre alt wird und an diesem Tag aller Voraussicht nach von seinen Pflichten als Bischof entbunden wird.
Lehmann sagte, vielleicht habe sich die Europäische Union "doch zu stark auf Wirtschaft und Handel" konzentriert und zu wenig um die "kulturelle und emotionale Verankerung des Europagedankens bei den Bürgern" gekümmert. Der aus Argentinien stammende Papst könne "Europa daran erinnern, dass es eine Aufgabe in der Welt hat, und dass wir dieser Aufgabe manchmal so schlecht nachkommen, dass wir schamrot werden müssten".
Für seine Verdienste um die europäische Einigung erhält Franziskus am Freitagmittag in Rom den Aachener Karlspreis. Nach Johannes Paul II. ist Franziskus der zweite Papst, der die Auszeichnung erhält. Der undotierte Internationale Karlspreis zu Aachen gilt als einer der wichtigsten europäischen Auszeichnungen. Er wird seit 1950 an Personen und Institutionen verliehen, die sich um die Einigung Europas verdient gemacht haben.
Der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert-Pöttering (CDU), sagte, das katholische Kirchenoberhaupt gebe "Zeichen der Hoffnung in dieser von Krisen geplagten Welt". Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung eröffnete am Donnerstag in Rom die Feierlichkeiten um die Verleihung des Karlspreises.