Dabei wies sie am Mittwoch katholische Bedenken gegen Feiern des 500. Jahrestags des lutherischen Thesenanschlags als Moment der Kirchenspaltung zurück. "Es geht nicht um Kirchenspaltung, sondern um eine notwendige Erneuerung von Kirche und Staat", betonte Käßmann in Rom. Diese habe auch die katholische Kirche grundlegend verändert. Deshalb gehe es bei der Reformation "nicht um eine Spaltung, sondern um eine Ausdifferenzierung der abendländischen Kirche".
Der Reformator Martin Luther habe seine eigene Kirche reformieren und nicht spalten wollen, betonte Käßmann bei der Tagung mit dem Titel "Zeichen der Vergebung. Wege der Bekehrung. Bußpraxis. Eine Reform, die alle angeht". Ein rein abgrenzendes Reformationsjubiläum wäre daher nicht sinnvoll.
Reformationsjubiläen und Luthergedenken seien in Deutschland stets von ihrer Zeit geprägt gewesen, sagte die ehemalige hannoversche Bischöfin in ihrem Einführungsvortrag zur bis zum Freitag andauernden katholisch- lutherischen Tagung. Es werde "keinen Kult um Luther geben, wie manche befürchten", betonte Käßmann an der Benediktineruniversität auf dem Aventinhügel. "Der Protestantismus in Deutschland und das Luthertum weltweit sind souverän genug, die Schattenseiten ihres großen Vorbildes nicht auszublenden". Als solche nannte sie vor allem die Haltung des Reformators zum Judentum.
Die katholische und die evangelische Kirchen leiteten nach Käßmanns Worten nach dem gemeinsamen Versagen der Christen gegenüber den Juden während des Nationalsozialismus einen Lernprozess ein. "Heute sagt die Evangelische Kirche in Deutschland: Wer Juden angreift, greift uns an." Dies gelte auch mit Blick auf Muslime. "Wetterte Luther wider die Türken, so leben wir heute gemeinsam in einem Land." Zum Reformationsjubiläum 2017 müsse sich daher auch der Dialog der Religionen als Anliegen des Protestantismus erweisen.