freigesprochen
München (epd) In dem Berufungsverfahren wegen Beleidigung sind am Donnerstag in München viele Worte nötig, bis die klagende Muslimin ihren Gesichtsschleier lüftet. Es sei ihr zwar erlaubt, vor Richtern das Gesicht zu zeigen, nicht aber "vor demjenigen, der mich angegriffen hat", begründet die 43-Jährige zunächst ihre Weigerung. Erst nach viel Zureden und einem Kompromiss hebt sie den Schleier für ihre Zeugenaussage.
Attest wegen Belastungsstörung
Der Prozess vor dem Münchner Landgericht, bei dem es um die Beleidigung der Zeugin geht, hatte wegen des Streits um die Vollverschleierung für großes öffentliches Interesse gesorgt. Zusätzlich zum weiten Gewand und Gesichtsschleier trägt sie noch Handschuhe. Der Anwalt der Muslimin hatte zwar angekündigt, seine Mandantin werde den Schleier diesmal ablegen. Doch das steht kurzzeitig auf der Kippe: Die Muslimin betritt schluchzend den Zeugenstand. Ihr Anwalt legt ein Attest wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung vor, das seiner Mandantin erlauben soll, vor Gericht vollverschleiert zu bleiben.
Erst als der Angeklagte der Frau den Rücken zukehrt und sie nicht anschaut, lässt sie sich überzeugen: Sie setzt sich wieder auf ihren Platz im Zeugenstand, den Rücken zu den Zuschauerbänken, und hebt den Schleier für ihre Zeugenaussage. Zuvor hatte sie bereits der Vorsitzenden Richterin ihr Gesicht gezeigt. Die Richterin hatte die Muslimin unter anderem an das Rechtsgutachten eines saudischen Islam-Gelehrten erinnert. Dieser hatte 2011 in einem ähnlichen Fall festgestellt, dass das Ablegen des Gesichtsschleiers, Niqab genannt, vor Gericht erlaubt sei.
In Aussagen widersprochen
In erster Instanz im November 2015 hatte die Frau sich noch geweigert, den Schleier zu lüften. Schon damals war der Angeklagte von dem Vorwurf, er habe die Frau als "Arschloch" beschimpft, freigesprochen worden. Begründet wurde das unter anderem damit, die Frau habe trotz richterlicher Nachfrage ihr Gesicht nicht gezeigt, Gesicht und Mimik seien nicht erkennbar gewesen. Auch im Berufungsverfahren wurde der Mann jetzt freigesprochen. (Az: 22 Ns 112 Js 169561/15)
Die Richterin sagte in ihrer Begründung, dass ein unbeteiligter Zeuge nicht habe bestätigen können, dass die Zeugin mit den Worten "Ihr Arschlöcher, ihr könnt mich am Arsch lecken" beleidigt wurde. Zudem habe sich die Frau in ihren Aussagen widersprochen. Das Gericht habe sich daher nicht davon überzeugen können, dass die Muslimin auf diese Weise beleidigt und beschimpft worden sei.