Berlin (epd)Die rechtsextreme NPD steht zum zweiten Mal auf dem Prüfstand des obersten deutschen Gerichts. Vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe begann am Dienstag die Verhandlung über ein Verbot der rechtsextremen Partei. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle wies zum Auftakt auf die Risiken des Verfahrens hin. Ein Parteiverbot sei "ein scharfes, zweischneidiges Schwert", das mit Bedacht einzusetzen sei. "Es schränkt die Freiheit ein, um Freiheit zu bewahren", sagte Voßkuhle. Jedes Verbotsverfahren sei eine "ernsthafte Bewährungsprobe für den freiheitlich-demokratischen Verfassungsstaat".
Zu Beginn des Verfahrens stellte die NPD Befangenheitsanträge gegen die Richter Peter Müller und Peter Huber. Beide hätten sich in der Vergangenheit in politischer Funktion gegen die NPD geäußert. Müller (CDU) war von 1999 bis 2011 Ministerpräsident des Saarlands, Huber (CDU) war 2009 bis 2010 Thüringer Innenminister.
Auf drei Tage angesetzt
Die mündliche Verhandlung der Karlsruher Richter ist zunächst auf drei Tage angesetzt. Mit einer Entscheidung wird erst in einigen Monaten gerechnet. Die Bundesländer hatten den neuerlichen Verbotsantrag über den Bundesrat im Dezember 2013 eingereicht. 2003 war das erste NPD-Verbotsverfahren in Karlsruhe wegen V-Leuten des Verfassungsschutzes in der Partei gescheitert.
Der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU), äußerte sich im Radiosender SWR2 zuversichtlich, dass das Verfahren nicht erneut an V-Leuten scheitert. "Wir haben vom Bundesverfassungsgericht ganz klar ins Stammbuch geschrieben bekommen, worauf wir achten müssen", sagte er.
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) erklärte in Berlin, es bleibe eine Daueraufgabe für Politik und Zivilgesellschaft, eine klare Haltung gegen radikale Hetze zu zeigen. Auch Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) warnte am Montagabend im Fernsehsender Phoenix vor falschen Erwartungen: "Selbst wenn es gelingt, diese Partei zu verbieten, sind wir das gesellschaftliche Problem nicht los", sagte sie. Auf Einladung von Maas wollen die Justizminister der Länder am 17. März über Strategien gegen Extremismus beraten.
Baum rechnet nicht mit Verbot
Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) rechnet nicht mit einem Verbot. Die Äußerungen der NPD seien zwar "widerlich", aber durch die Meinungsfreiheit geschützt, sagte Baum dem Radiosender Bayern 2. Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte im Deutschlandfunk, wenn die Partei nicht verboten würde, wäre das ein Triumph für den Rechtsextremismus. Damit würde der Eindruck erweckt, dessen Gewaltbereitschaft wäre legal.
Der Zentralrat der Juden äußerte sich zuversichtlich: "Ich gehe davon aus, dass in dem Prozess das wahre Gesicht dieser menschenverachtenden Partei enthüllt wird", sagte Zentralratspräsident Josef Schuster: "Die Richter sollten bei diesem Verfahren den Rückhalt der demokratischen Gesellschaft spüren."
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) bedauerte, dass sich die Bundesregierung dem Verfahren nicht angeschlossen hat. Eine Sprecherin ihres Ministeriums erklärte, ein Verbot sei ein wichtiger Schritt, einer verfassungsfeindlichen Partei die Legitimation zu entziehen.
Voßkuhle: "Besondere Herausforderung"
Grundlage für ein Parteiverbot ist Artikel 21 (2) des Grundgesetzes. Demnach kann eine Partei verboten werden, wenn sie darauf abzielt, "die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden". Verfassungsrichter Voßkuhle nannte es eine "besondere Herausforderung" für das Bundesverfassungsgericht, diese Frage zu klären.
In der Geschichte der Bundesrepublik gab es bisher nur zweimal ein Parteiverbot: 1952 gegen die nationalsozialistisch orientierte Sozialistische Reichspartei (SRP) und 1956 gegen die als stalinistisch eingeordnete Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).