Der syrisch-libanesische Dichter Ali Ahmad Said Esber alias Adonis (86) hat am Freitag den mit 25.000 Euro dotierten Erich-Maria-Remarque-Preis der Stadt Osnabrück erhalten. Er habe Adonis schon lange ins Herz geschlossen, ohne mit allen seinen Aussagen übereinzustimmen, sagte der Nahost-Experte Daniel Gerlach in seiner Laudatio. Er forderte den Dichter auf, der Welt von seiner alevitischen Kultur und Weltanschauung zu berichten: "Vielleicht kann das den Weg ebnen zu einer wahren Friedensordnung."
Seit die Jury im August 2015 den Preisträger bekanntgegeben hatte, war eine Diskussion darüber entbrannt, ob der bedeutendste arabische Dichter der Gegenwart diese Auszeichnung verdiene. Mehrere syrische Oppositionelle, Menschenrechtler und der Zentralrat der Muslime warfen ihm vor, er habe sich nie eindeutig von der Gewaltherrschaft Assads distanziert.
Entscheidung der Jury verteidigt
Adonis selbst dankte für den Preis, den er als große Ehre empfinde und auf den er stolz sei. Die Grundlage für Frieden und Demokratie sei nach seiner Auffassung die eindeutige Trennung "zwischen Staat, Politik und Kultur einerseits und Religion andererseits". In der gesamten arabisch-islamischen Welt könne er jedoch solche Tendenzen nicht entdecken, betonte der 86-Jährige: "Ich komme aus einer arabisch-islamischen Welt, deren politische, kulturelle und soziale Tiefenstruktur noch immer von Religion und Stammesdenken geprägt ist - als stünde sie in einem Kontinuum mit der Kultur des Mittelalters."
Oberbürgermeister Wolfgang Griesert und der Jury-Vorsitzende und Universitätspräsident Wolfgang Lücke verteidigten in ihren Reden noch einmal die Entscheidung der Jury für Adonis. Der Dichter werde für sein vehementes Eintreten für eine Trennung von Religion und Staat, für die Gleichberechtigung der arabischen Frau und eine friedliche und demokratische arabische Gesellschaft ausgezeichnet.
Die Jurymitglieder hätten sich trotz aller Vorwürfe und zum Teil auch persönlichen Angriffe nicht beirren lassen, betonte Lücke. Die Vorwürfe, Adonis sei ein Anhänger des Assad-Regimes, hätten sich als ungerechtfertigt herausgestellt.