Berlin, Frankfurt a.M. (epd)Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry hat die Position der Kirchen in der Flüchtlingspolitik als "verlogen" kritisiert. Diese kümmerten sich zu wenig um die Hilferufe der Christen im Nahen Osten: "Inzwischen erheben einige Amtsträger der deutschen Kirchen ihre Stimme offenbar mehr für Muslime als für eigene Glaubensbrüder", sagte Petry. Ihre Äußerungen stießen am Donnerstag auf scharfe Kritik.
"Frech und unangemessen"
Petry wies in der "Stuttgarter Zeitung" (Donnerstagsausgabe) auch den Vorwurf des Vorsitzenden der katholischen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, zurück, die AfD reiße Gräben in der Gesellschaft auf. Es sei kein guter Stil, dass die Kirche die AfD als menschenverachtend bezeichne und das Gespräch mit der Partei verweigere, kritisierte sagte die Vorsitzende der rechtspopulistischen Partei.
Marx sagte am Donnerstag zu Petrys Vorwürfen, er könne nicht erkennen, dass die Kirchen sich mehr um Muslime als um Christen kümmerten. "Wir tun als Kirche alles, um allen zu helfen", betonte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz im baden-württembergischen Kloster Schöntal. Der religionspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, nannte die Äußerungen Petrys "frech und unangemessen".
Marx sagte, dass er selbst einmal mit einem Vertreter der AfD reden werde, wollte er nicht grundsätzlich ausschließen. Er frage sich aber doch, was eine Debatte darüber überhaupt solle. "Wir reden hier über die AfD, und jede Woche ersaufen die Leute im Mittelmeer", sagte der Kardinal sichtlich ungehalten vor Journalisten zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der katholischen Bischöfe. Es gehe darum, die Probleme der Flüchtlinge zu lösen, und nicht darum, "Debatten zu führen, die uns davon wegbringen".
Nicht gegeneinander ausspielen
Am Mittwoch hatte er die rechtspopulistischen Bewegungen gerügt. Sie nutzten Ängste und Verunsicherungen in der Bevölkerung gezielt für ihre "menschenfeindlichen" Ziele aus. Auf dem Deutschen Katholikentag im Mai in Leipzig sollen keine AfD-Politiker sprechen dürfen.
Auch der Grünen-Politiker Beck nahm die Kirchen gegen die Vorwürfe von Petry in Schutz. "Die AfD muss damit leben, dass das Christentum sich nicht für eine chauvinistische Sicht auf die Welt eignet. Wenn sie kritisiert, dass die Bischöfe sich nicht darauf einlassen, verfolgte Christen und Muslime gegeneinander auszuspielen, dann wirft sie ihnen im Kern ihr Christsein vor", erklärte Beck in Berlin. Die Zentrale Botschaft der Evangelien sei es, sich "nicht nur um die eigenen Leute zu kümmern".
Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm würdigte noch einmal das anhaltende Engagement für Flüchtlinge in Deutschland. "Die menschliche Kälte, die Rechtspopulisten derzeit ausstrahlen, schlägt nicht durch auf das warmherzige Mitgefühl der breiten Bevölkerung", schreibt bayerische Landesbischof in der Berliner Wochenzeitung "Die Kirche".
Erzbischof Georg Gänswein warnte mit Blick auf die Flüchtlingskrise grundsätzlich vor einem Zulauf zu populistischen Bewegungen wie der AfD. Er sagte "Focus-Online": "Populistisches Handeln hat immer dann große Anziehungskraft, wenn Menschen den Eindruck gewinnen, dass ihre Sorgen und Ängste nicht oder nicht ausreichend ernst genommen werden." Dann sei die "Anfälligkeit, populistischen Strömungen auf den Leim zu gehen, besonders groß, weil mit markigen Worten schnelle Abhilfe aller Probleme versprochen wird". Die Tatsache, dass eine Partei bei Umfragen innerhalb kürzester Zeit zweistellige Werte zu erzielen vermag, müsse "die Alarmglocken läuten lassen".