Nach den umstrittenen Äußerungen von Parteichefin Frauke Petry zum Schusswaffeneinsatz an der Grenze hält die Debatte um extremistische Tendenzen in der AfD an. Ex-Parteichef Bernd Lucke warf der AfD "eine hässliche Politik" vor. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), kritisierte: "Wer den Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge an der deutschen Grenze fordert, steht außerhalb unseres Grundgesetzes." Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) warnte indes vor einer "Dämonisierung" der AfD.
Lucke sagte der "Augsburger Allgemeinen" (Dienstagsausgabe), der Umgang der Partei mit Flüchtlingen sei "inhuman, unmenschlich und nicht zu ertragen". Die Menschen, die die AfD wählen, seien indes politisch nicht radikal, sondern frustriert über die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, ergänzte Lucke, der im vergangenen Jahr vom Parteivorsitz verdrängt worden war und daraufhin die AfD verlassen hatte.
Beobachtung der AfD möglich
Die Integrationsbeauftragte Özoguz sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, Äußerungen wie die von Petry seien kein Einzelfall, sondern "eher die Regel in der AfD". "Spätestens jetzt sollte allen klar sein, welche Geisteshaltung diese Partei hat."
Der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hansjörg Geiger, hält eine zumindest teilweise Beobachtung der AfD für möglich. "Der Verfassungsschutz wird natürlich prüfen, ob eine Partei, die sich in diesem rechten Umfeld bewegt, möglicherweise die Grenze zum Rechtsextremismus überschreitet", sagte er der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung".
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatte die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz gefordert, nachdem die AfD-Vorsitzende Petry und ihre Stellvertreterin Beatrix von Storch erklärt hatten, ein illegaler Grenzübertritt von Flüchtlingen müsse notfalls auch mit der Schusswaffe verhindert werden. Petry hat ihre Forderung inzwischen relativiert und erklärt, sie lehne einen Schusswaffen-Einsatz gegen Menschen ab, "die friedlich Einlass in das Bundesgebiet begehren".
Über Ängste reden
Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) ist der Meinung, dass Talkshows demokratischer Politiker mit Vertretern der AfD inzwischen nicht mehr in Betracht kommen. "Mit den Bürgern, auch mit möglichen Wählern der AfD sollte man reden über ihre Ängste und Besorgnisse, auch über ihre Enttäuschungen und ihre Wut", sagte er der "Berliner Zeitung". "Aber nicht mit Frau Petry und Frau von Storch - nach diesen Äußerungen nicht mehr."
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff rief unterdessen zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der AfD auf. Zwar vertrete die AfD "stark rechtspopulistische Meinungen, die teilweise den Werten unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung zuwider laufen", sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe. "Eine platte Dämonisierung ihrer Anhänger" sei aber wenig einfallsreich. "Wir müssen zu Kenntnis nehmen, dass die AfD Sorgen weiter Teile der Bevölkerung thematisiert."
Nach einer Umfrage hat die AfD in der Wählergunst verloren. Wenn am Sonntag Bundestagswahlen wären, würden 12,5 Prozent der Wähler für die rechtskonservative Partei stimmen, ergab laut "Bild"-Zeitung der "Meinungstrend" des Erfurter Insa-Institutes. Das seien 0,5 Prozentpunkte weniger als in der Vorwoche und der erste Rückgang seit Mitte Dezember. Insa-Chef Hermann Binkert sagte der Zeitung: "Die aktuelle Debatte schadet der AfD."