Im Fall der massenhaften Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht sei die Nennung des Migrationshintergrundes "noch akzeptabel", sagte die Referentin für Beschwerdeführung beim Deutschen Presserat, Edda Eick, am Mittwoch dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Es handele sich um ein Massenverbrechen, das in dieser Dimension so noch nicht stattgefunden habe.
"Möglicherweise steckt eine größere kriminelle Struktur hinter der Tat", sagte Eick. In diesem Kontext werde mit Täterbeschreibungen gefahndet, zum Beispiel nordafrikanisches Aussehen. Dies sei aber anders zu bewerten als die bloße Spekulation darüber, ob das Motiv für die Taten mit der religiösen Zugehörigkeit etwas zu tun haben könnte. Hierfür müsse es konkrete Anhaltspunkte geben.
Auch kleine Meldungen können Ressentiments schüren
Zugleich verwies Eick auf den journalistischen Standard, wonach die Nationalität oder Religion bei mutmaßlichen Straftätern nur genannt wird, wenn diese im Zusammenhang mit der Tat stehen. Damit sollten Redaktionen daran erinnert werden, dass Berichterstattungen Vorurteile befördern können. Ziel der entsprechenden Ziffer 12 im Deutschen Pressekodex "war es, die Belange aller gesellschaftlichen Gruppen, die sich als Opfer tiefverwurzelter Vorurteile fühlen, zu berücksichtigen", betonte Eick.
"Bei einer fünfzeiligen Berichterstattung über einen Ladendiebstahl oder einen Autoaufbruch hat die Nennung der Nationalität keinen Mehrwert, außer, dass sie Vorurteile und Stereotype gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen bedient", sagte die Referentin weiter. Jeder Einzelfall müsse daher gesondert betrachtet werden.
Gerade mit Blick auf die Berichterstattung über die Flüchtlingspolitik sei Ziffer 12 im Pressekodex ein wichtiges Thema. "Journalisten haben eine große Verantwortung zwischen dem Informationsinteresse auf der einen Seite und den schutzbedürftigen Interessen des Einzelnen oder der Minderheit auf der anderen Seite", betonte Eick weiter. Sie dürften sich nicht dem Vorwurf aussetzen, Informationen zu verschweigen. Andererseits könnten auch mit kleinen Meldungen schon starke Ressentiments gegen Minderheiten geschürt werden.