Colmar (epd)Es riecht nach frischem Lack und Farben. Alte Holzdecken wurden freigelegt, zugemauerte Fenster zum Kreuzgang der Klosteranlage wieder geöffnet, das Kirchendach saniert und ein ehemaliges Stadtbad hinzugekauft. Für rund 44 Millionen Euro haben die Stadt Colmar, Staat, Region und Departement, die Stiftung Schongauer und Privatsponsoren das Unterlindenmuseum im elsässischen Colmar in den vergangenen drei Jahren erneuert. Am Samstag (12. Dezember) wird das Museum wiedereröffnet.
Noch laufen die letzten Umbauarbeiten auf Hochtouren, doch der Countdown für die Eröffnung des neuen Unterlindenmuseums in Colmar hat begonnen. Es ist nach eigenen Angaben das am zweithäufigsten besuchte Museum in Frankreich nach dem Louvre in Paris. Und es beherbergt den berühmten Isenheimer Altar des Würzburger Malers Matthias Grünewald (1475/80-1528).
Oberste Firnisschicht entfernt
Dieser steht auch nach wie vor im Zentrum der Ausstellung, trotz weiterer berühmter Sammlungsstücke von Martin Schongauer, Hans Holbein oder Lucas Cranach. Der Altar steht allein in einem Kirchenschiff, allerdings auf einem neuen Parkettboden in hellen Brauntönen, der das Ambiente für das Meisterwerk noch luftiger erscheinen lassen soll. Aus Sicherheitsgründen ist das Ausstellungsstück in eine Stahlkonstruktion eingebettet, damit etwa die Feuerwehr im Brandfall das Meisterwerk rasch aus dem Gebäude bringen kann.
Zusammen mit Niklaus von Hagenau wurde das weltbekannte und spätgotische Altarbild mit elf Tafeln bei Grünewald in den Jahren 1512 bis 1516 in Auftrag gegeben: Auf den Tafeln durchdringen Kreuznägel die Handflächen von Jesus, Blut rinnt über den Balken des Holzkreuzes. Seine Finger krümmen sich vor Schmerz. Der Körper des Gekreuzigten ist mit Wunden übersät, sein Kopf leblos auf die Brust gesunken.
Auch der Altar wird seit drei Jahren restauriert, doch nichts werde verändert, "nur die oberste Firnisschicht wird entfernt", sagt Chefkuratorin Pantxika de Paepe, und widerspricht damit französischen Kritikern wie der kunsthistorischen Zeitschrift "Tribune de l'Art". Diese hatte dem Museum vor gut zwei Jahren vorgeworfen, dass das Werk Grünewalds durch die Abnahme der obersten Lackschichten mit einem Lösungsmittel gefährdet sei.
Ausstellungsfläche verdoppelt
Kein Maler des Mittelalters und der frühen Neuzeit hat das Leiden und den Tod Jesu Christi am Kreuz so ungeschönt ins Bild gesetzt wie Grünewald. Die Darstellung der Passion Christi und zentraler Stationen seines Lebens auf den Bildtafeln des Isenheimer Altars ist einmalig in der abendländischen Kunstgeschichte.
Ordensleute aus dem 20 Kilometer südlich von Colmar gelegenen Issenheim (Isenheim) hatten einst den Altar in Auftrag gegeben. Der Hospitaliterorden der Antoniter pflegte Kranke, die am damals weit verbreiteten "Antoniusfeuer" litten, einer Lebensmittelvergiftung durch den Verzehr von Brot, das den giftigen Getreidepilz Mutterkorn enthielt. Den Erkrankten fielen Finger, Zehen und ganze Gliedmaße ab, wie eine Altartafel zeigt.
Mit der Sanierung und der Verdoppelung der Ausstellungsfläche von 4.000 auf 8.000 Quadratmeter erhofft sich das Museum ein Besucherwachstum von durchschnittlich 180.000 Gästen pro Jahr auf künftig 300.000. "Doch nicht nur die Hülle hat sich gewandelt, auch die Ausstellungspolitik", erklärt Pantxika de Paepe. Geplant sind künftig mehrere Ausstellungen, im kommenden Jahr unter anderem zu "Otto Dix und der Isenheimer Altar". Bis Ende 2016 soll auch der gesamte Museumsbestand gezeigt werden, am kommenden Samstag "sind es erst mal etwa 75 Prozent davon", sagt de Paepe.
Sanierungsarbeiten kritisch beäugt
Auch wenn die französische Presse die Sanierungsarbeiten kritisch beäugt und kein allzu großes Interesse an der samstäglichen Wiedereröffnung zeigt: Mit dem Besuch von Frankreichs Staatschef Francoise Hollande im kommenden Januar erhofft sich das Museum einen weiteren Öffentlichkeitsschub auch in der Heimat.
Die in dem ehemaligen Klosterkonvent und dem neu hinzugekommen Anbau zu sehenden Sammlungen aus der Zeit des 11. bis 16. Jahrhunderts umfassen neben den weltweit bekannten Werken aus dem Mittelalter und der Renaissance auch Gemälde, Skulpturen und Objekte aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. "Nicht nur architektonisch, auch inhaltlich werden wir künftig einen Dialog zwischen alter Kunst und modernen und zeitgenössischen Tendenzen führen", versprechen sowohl die Architekten von Herzog & de Meuron und die Chefkuratorin.