In der Landeskirche im "Luther-Land" Thüringen und Sachsen-Anhalt gebe es bisher "noch kein offizielles Wort des Bedauerns über Luthers Antijudaismus", sagte Begrich in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit".
Der Pfarrer aus Mühlhausen ist Mitautor einer Erklärung zu diesem Thema. Der Entwurf soll im nächsten Jahr von der Landessynode beraten werden. "Wer heute als Protestant froh ist über die Erfindung des evangelischen Pfarrhauses und das Gottesgnadentum, der muss sich auch der dunklen Seite Luthers stellen", betonte Begrich. Der Judenhass habe die evangelische Kirche "wirklich jahrhundertelang geprägt".
Als Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit nannte der Theologe das 1939 von den "Deutschen Christen" in Eisenach gegründete antisemitische "Entjudungsinstitut", das unter anderem ein Neues Testament und ein Gesangbuch ohne jüdische Bezüge herausgab. Institutsleiter Walter Grundmann habe nach 1945 weiterhin Katecheten und Diakone ausgebildet.
Grundmanns Schriften würden bis heute verlegt, "und sein Buch zum Urchristentum steht in zwei Dritteln der evangelischen Pfarrhäuser im Osten". Doch Luthers Judenfeindschaft habe letztlich auch dazu geführt, dass das Alte Testament bis heute in der evangelischen Theologie marginalisiert werde, fügte Begrich hinzu.
Die angekündigte kirchliche Erklärung bringe nicht zuletzt gegenüber der jüdischen Gemeinde das Bedauern zum Ausdruck, "dass Luthers Judenhass von unserer Kirche so lange akzeptiert wurde", erläuterte der Theologe. Das Bekenntnis sei keine akademische Abhandlung, sondern spreche "ein klares und bindendes Wort", jeder Form von Antisemitismus in Kirche und Gesellschaft entgegenzutreten.
Allerdings gebe es auch Vorbehalte gegenüber einer kritischen Auseinandersetzung mit Luthers Judenschriften, berichtete Begrich. Als er kürzlich im Thüringer "Luther-Stammort" Möhra über dieses Thema gepredigt habe, "waren die Leute beleidigt". Umso deutlicher müsse ihnen gesagt werden: "Der größte Sündenfall unserer Kirche ist ihr Antijudaismus."